Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
leben könnt, müssen wir uns nur noch mit dem ominösen Namen beschäftigen. Und dazu bitte ich euch, den Namen Gottlieb im Imperativ, also in umgekehrter Silbenfolge ‘Liebe Gott’, ins Lateinische zu übersetzen”, lüftete er das Geheimnis, “und ich bin überzeugt, ihr erinnert euch dabei gleich auch an eure Ausbildungszeit.”
“Ama Deus”, übersetzte Herzog. Das hatten sie doch alle irgendwann einmal gelernt. Jeder wurde einstmals mit Mozarts Namen, wie er in der Taufurkunde steht, konfrontiert: Johann Chrysostom Wolfgang Theophilus (Gottlieb) Mozart. Doch wie hätte man diese Kenntnis auch in Zusammenhang mit diesem kleinen Jungen bringen können? Er verfügte auch nicht über dieses Wissen, so dass man hätte annehmen dürfen, dass er sich das Puzzlespiel selbst hätte ausdenken könnten. Alle Facts führten eigentlich in die richtige Richtung: die Vorliebe zu Mozart-Kompositionen und die Vollendung eines fragmentarischen Werkes. Warum hatten sie das nicht erkannt? Herzog war beeindruckt über das eben gelüftete Rätsel.
“Und ich sagte noch beim Zeitungsinterview nach dem Konzert:
Dieser Junge spielt nicht Mozart, er ist Mozart
. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich eigentlich schon aufwachen müssen”, sagte Haas mehr zu sich selbst undes klang wie ein Vorwurf. “Wir sollten uns nun überlegen, wie wir mit diesem Kind weiter verfahren. Die Kenntnis über Komposition fehlt ihm, das ist klar, denn was er hier zu Papier brachte”, Haas nahm die Partitur in die Hand und wedelte damit vor sich herum, “das wurde ihm diktiert, höchstpersönlich von W.A.M. Ich würde vorschlagen, dass er hier am Konservatorium ein Studium beginnt, und zwar sollten wir gleich mit dem Fach Komposition beginnen.”
“Ich bezweifle, dass der Verstand eines Sechsjährigen mit dem Thema Komposition mithalten kann. Indem ihm diktiert wurde, schrieb er quasi ab und zwar ohne jegliches Wissen über Komposition. Doch selbst zu komponieren setzt eine gewisse Reife voraus und darüber verfügt ein Sechsjähriger nicht. Er wird das komplexe Thema Komposition verstandesgemäß nicht erfassen können”, hielt Herzog dagegen.
“Mozart selbst hatte auch mit sechs Jahren komponiert. Dass unser Wunderkind überdurchschnittlich intelligent und gleichzeitig begabt ist, davon durfte ich mich selbst überzeugen, denn ich arbeitete letzten Freitag drei Stunden mit ihm. Außerdem, versucht doch einmal, irgendeinem Kind, eine Komposition zu diktieren und schaut mal, was dabei herauskommt. Ich kann auch jetzt schon versichern: es würde nicht einmal zu einem Anfang führen”, entkräftete Haas die Argumente seines Vorredners.
“Gut, wir können es versuchen. Die Gewährung einer Begabtenförderung dürfte kein Problem darstellen. Sie wird eh nur so lange nötig sein, bis die Medien Wind von Alexanders Talent bekommen und er wird sich vor Auftritten nicht retten können. Flugs wird er in der Lage sein, seine Ausbildung und sein Leben selbst zu finanzieren”, spielte Herzog die Zukunft laut durch.
“Wir dürfen aber auf keinen Fall zulassen, dass der Junge vermarktet wird. Er hat ein Recht auf seine Kindheit”, mahnte Haas zur Vorsicht.
Steinmeier saß da und hörte nur zu. Er enthielt sich bei der ganzen restlichen Diskussion seiner Meinung, denn er wusste noch nicht, was er davon halten sollte. Zugegeben, er war, was die Begabung des Jungen betraf, beeindruckt. Doch war er zu sehr Rationalist und für ihn schien alles etwas zu phantastisch, um nicht zu sagen, er hielt es für übersinnlichen Krimskrams.
“Gregor, kannst du dich uns anschließen?”, fragte Haas ihn.
“Ich werde mich nicht gegen den Mehrheitsentscheid stellen. Ihr kennt mich. Ich habe etwas Mühe damit. Doch vielleicht ändert sich das, wenn ich den Jungen einmal vor mir sehe und ich mich von dessen überdurchschnittlichen Talent, Intelligenz und auch von der ihn umgebenden Mystik überzeugen kann”, erklärte dieser.
*
Alexander war ziemlich ungeduldig. Täglich, wenn Hannah ihn von der Schule abholte, war das erste, was er wissen wollte: “Mama, hast du was von Professor Haas gehört?” Seine Enttäuschung war ihm anzusehen, wenn Hannah seine Frage jedes Mal wieder verneinte. Es war nun schon eine Woche her, dass der Professor sich mit Alexander beschäftigte.
“Du musst ihnen Zeit lassen, mein Schatz. Sei nicht so ungeduldig. Sie werden sich melden, ganz bestimmt.”
“Ja, Mama”, antwortete er resigniert.
“Du, was hältst du davon? Joey möchte
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