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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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mussten und was für eine gefährliche Aufgabe sie hier erledigten und wie sicher ich war, dass Eamonn nichts dagegen hatte, wenn sie mir die Aussicht zeigten, nur dieses eine Mal. Aber wenn sie sich Sorgen machten, nun, dann würde ich es ihm selbstverständlich nicht erzählen. Die drei Männer grinsten und machten sich daran, mir zu erklären, was was war.
    »Schaut nach Norden, Herrin. Es ist nicht so weit entfernt bis zu diesen Hügeln, das ist trockenes Land. Aber man kann nicht direkt dorthin gelangen, der Weg ist zu verräterisch. Es ist alles Sumpfland. Wie aus einem Alptraum.«
    »Das bedeutet, dass man Umwege machen muss«, erklärte der zweite. »Zurück auf dem Weg, auf dem ihr gekommen seid, dann nach Osten zur Kreuzung, dann wieder nach Norden und wieder in diese Richtung. Es dauert einen halben Tag zu Fuß, bis man zum Pass gelangt. Selbstverständlich gibt es auch einen direkten Weg. Einen schnellen Weg.«
    Der erste Mann lächelte freudlos. »Schnell ist er wirklich. Man gerät schnell unter Wasser, wenn man einen falschen Schritt macht. Ich würde das nicht versuchen. Nicht einmal, wenn mein Leben davon abhinge.«
    Der dritte Mann war ein wenig jünger, kaum älter als ein Junge, und er sagte ehrfürchtig: »Wenn man nachts da rausgeht, kann man die Kriegsfeen über das Moorland schreien hören. Es bringt einem das Blut zum Gefrieren. So sagen sie voraus, wenn jemand stirbt. Wieder eine Seele, die die Finstere in ihre Hand bekommt.«
    »Aber es gibt tatsächlich einen schnellen Weg direkt dorthin?«, fragte ich und starrte über das Land, das ganz wie ein einheitlicher Streifen Marschland aussah, bis zu der entfernten Linie niedriger Hügel im Norden.
    »Oh ja. Schnell und geheim. Lord Eamonn benutzt ihn, und manchmal einer der anderen Männer. Es gibt nur eine Hand voll, die diesen Weg kennen. Sie können sich nur Schritt für Schritt weiterbewegen, nur hintereinander her, und man muss sich an jeden einzelnen Teil erinnern können, zwei Schritte nach links, einer nach rechts und so weiter. Oder man hat sein Leben verspielt.«
    »War dies der Weg, wo der Söldner, ihr wisst schon, der, den man den Bemalten Mann nennt …?«
    »Wo er unseren Männern auflauerte und sie schlachtete wie Vieh? Nicht hier, Herrin, aber es war eine ähnliche Stelle. Wie er den Weg erfahren hat, weiß Morrigan allein. Verflucht soll dieser mörderische Abschaum sein.«
    »Wir haben zumindest einen von ihnen erwischt«, sagte der erste Mann. »Einen von diesen Metzgern. Haben ihm die Gedärme rausgerissen.«
    »Ich werde mich nicht zufrieden geben, bis sie alle tot sind«, erklärte der andere. »Nur der Tod ist gut genug für sie, besonders für den, den sie ihren Hauptmann nennen. Dieser Mann hat wirklich ein schwarzes Herz, durch und durch böse. Aber er wäre dumm, auch nur einen Fuß wieder auf das Land meines Herrn zu setzen. Es wäre das Todesurteil für ihn.«
    »Entschuldigt mich.« Ich schlüpfte zwischen ihnen aus dem Wachtposten und die Treppe zum Wehrgang hinunter.
    »Es tut mir Leid, Herrin. Ich hoffe, wir haben Euch nicht aufgeregt. Männer sprechen manchmal eine schlichte Sprache.«
    »Nein, nein, es ist schon in Ordnung. Ich danke euch, dass ihr mir so viel erklärt habt.«
    »Seid vorsichtig, wenn Ihr weitergeht, Herrin. Die Steine sind ein bisschen uneben hier und da. Das hier ist kein Platz für eine Frau.«
    Als ich zurück zum Schlafzimmer kam, war die Tür geschlossen. Ich wollte sie aufschieben, aber etwas blockierte sie. Ich schob fester, und die Tür ging halb auf und bewegte eine kleine Truhe weiter, die man davor gestellt hatte, damit sie geschlossen blieb. Die Diener hatten eine große Schüssel und Badewasser ins Zimmer getragen. Niamh hörte mich und griff nach einem Tuch, um sich zu bedecken, aber es war zu spät. Ich hatte es gesehen. Ich schlüpfte sehr leise herein und schloss die Tür hinter mir. Dann stand ich da und starrte die blauen Flecken an, die überall den Körper meiner Schwester überzogen.
    Ich sah, wie ihr festes Fleisch geschrumpft war, so dass nun ihre Rippen vorstanden, ebenso wie die Hüftknochen zu beiden Seiten ihres eingesunkenen Bauches, als wäre sie am Verhungern. Ich sah, dass ihr langes, schimmerndes Haar, das einmal bis zur Taille gereicht hatte, nun grob in Kinnlänge abgehackt war, die Enden so unregelmäßig, als wären sie mit einem stumpfen Messer abgesägt worden. Es war das erste Mal, dass ich Niamh ohne Schleier sah, seit sie aus Tirconnell

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