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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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es dennoch wissen. Ist Niamh … geht es ihr gut? Geht es ihr besser und ist sie in Sicherheit … wie hast du …«
    »Es geht ihr recht gut. Sie hat sich sehr verändert.« Sein Tonfall war ruhig, aber ich spürte darunter tiefen Kummer, eine so schwere Last, wie kein junger Mann sie tragen sollte. Ich konnte nicht lesen, was in seinen Augen stand. »Das lachende Mädchen, das uns an Imbolc so bezaubert hat, ist verschwunden. Sie hat ihren Weg noch nicht gefunden. Aber sie ist in Sicherheit.«
    »Wo? Wie hast du …«
    »In Sicherheit. Wo ist unwichtig.«
    Er antwortete, als wäre er immer noch Druide. »Bei dir?«, fragte ich.
    Ciarán nickte. »Sie braucht Schutz. Ich habe ihr gegenüber versagt. Aber zumindest Schutz kann ich ihr nun geben.«
    Beide schwiegen wir eine Weile. Kleine Vögel begannen zu singen; sie verkündeten einen neuen Tag und eine neue Jahreszeit.
    »Ich bin Niamhs Schwester«, sagte ich schließlich. »Ich möchte zumindest wissen, wo sie ist und ob sie zurückkehren wird, wenn die Wahrheit ans Licht kommt. Ich habe es meinem Vater gesagt. Er versteht nun, was für einen Fehler sie gemacht haben, als sie ihr einen Mann suchten. Es könnte möglich sein … könntest du sie nicht hierher zurückbringen und …«
    Sein Lachen verblüffte mich. Es war voller Bitterkeit.
    »Sie zurückbringen? Wie könnte das sein?«
    Ich sagte nichts und wunderte mich über seine Reaktion. Gab es denn keine Hoffnung, dass die Dinge irgendwann besser würden? Ich wollte nicht glauben, dass meine und Brans Anstrengungen so vergeblich gewesen waren.
    »Haben sie es dir nie gesagt?«, fragte Ciarán tonlos.
    »Mir nie was gesagt?« Wieder ergriff mich dieses Gefühl, ein Schrecken, eine Kälte bis tief in den Kern meines Wesens, wie die Berührung längst vergangener Finsternis oder kommenden Übels.
    »Die Wahrheit. Warum sie mir verboten haben, Niamh zu heiraten, und uns beide weggeschickt haben. Warum wir nie zurückkehren können und es auch nicht wollen. Dass wir verflucht sind, zweifach verflucht durch all diese Geheimnisse. Sie haben es dir nicht gesagt! Ich nehme an, du hast uns deshalb geholfen, weil sonst niemand uns helfen wollte. Hättest du die Wahrheit gewusst, dann hättest auch du uns verachtet.«
    Ich wich zurück vor dem zynischen Ton seiner Stimme, der so anders war als die leidenschaftliche, glühende Hoffnung, mit der er einmal eine Liebesgeschichte erzählt hatte.
    »Du solltest mir lieber alles sagen«, meinte ich. »Meine Freunde haben sich in große Gefahr gebracht, um mir zu helfen. Sag mir die Wahrheit, Ciarán. Es heißt, altes Böses sei wieder erwacht, und dass sich Dinge regten, die uns Schaden zufügen können. Was ist es? Sag es mir.«
    Ich setzte mich auf die Steinbank, die zwischen fedrigen Kamillepflanzen stand, und er kam näher. Der Vogel krächzte und flog auf in den Flieder, wo er sich unsicher auf einem schlanken Zweig niederließ.
    »Es war grausam«, sagte Ciarán leise. Im frühen Morgenlicht war sein Gesicht geisterhaft bleich. »Grausam, dass sie ihr die Wahrheit vorenthalten haben. Kein Wunder, dass sie sich verlassen glaubte, denn sie wusste nicht, wieso ich geflohen war und was mich vertrieben hatte. Sie verstand nicht, dass unsere Vereinigung … unter einem Fluch stand.«
    »Einem Fluch?«, wiederholte ich dümmlich, denn ich wusste nicht, was er meinen konnte.
    »Verboten. Verboten durch das Blut. Erst an jenem Abend, als ich mit wild klopfendem Herzen nach Sevenwaters kam, bereit, für meine Frau zu kämpfen, wenn das notwendig würde, ließ sich Conor dazu herab, mir endlich zu sagen, wer ich war. All diese Jahre hatte er es vor mir verborgen gehalten, ein Geheimnis, das nie gelüftet werden sollte. Ich hielt mich für einen Findling, ein Kind, das das Glück hatte, von den Weisen aufgenommen und im Herzen des Waldes großgezogen worden zu sein. Ich träumte von nichts mehr als davon, in Conors Fußstapfen zu treten und mich der Bruderschaft zu widmen. Dann begegnete ich Niamh. Und es war Zeit, dass das Geheimnis gelüftet wurde.«
    Tief in meinem Hinterkopf begann ich langsam zu begreifen. Das Schreckliche zu begreifen.
    »Conor sagte dir, wer du warst?«
    »Ja. Und dass ich Niamh niemals heiraten könne. Dass das, was wir getan hatten, schandbar und falsch war, ein Bruch der Naturgesetze, eine Abscheulichkeit, obwohl es in aller Unschuld geschah. Unsere Vereinigung konnte nie gesegnet werden. Denn ich bin der Sohn von Colum von Sevenwaters und seiner

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