Der Sohn der Schatten
zweiten Frau, Lady Oonagh. Ich bin ein Halbbruder von Conor und Liam. Halbbruder von Niamhs und deiner Mutter. Die Frau, die mich geboren hat, war die Zauberin, die diese Familie und alles, was ihr teuer ist, beinahe zerstört hätte. So hat mir Conor mit einem einzigen Schlag meine Liebe, meine Zukunft, all meine Hoffnung auf Freude und den Sinn meines Lebens genommen. Man verbot mir nicht nur Niamh, ich wurde auch aus der Bruderschaft ausgestoßen, ohne einen Stern, der mich führte. Alles war ausgelöscht.«
»Das ist nicht, was Conor gesagt hat …«
»Ha! Der Sohn einer Zauberin kann niemals Druide sein. In mir fließt verfluchtes Blut. Einer wie ich könnte nie wagen, die höchste Kunst der Weisen zu erlernen, sich dem Reich des Lichts zu nähern, der Inspiration reinen Geistes. Es steht mir nicht zu, und so wäre es immer gewesen. Das weiß ich jetzt. Wenn ich ihr Sohn bin, dann bin ich ein Sohn der Schatten, verdammt dazu, in Finsternis zu wandeln. Wie er mich all diese Jahre großziehen und mir das vorenthalten konnte, werde ich nie verstehen. Diese Lüge werde ich ihm nie verzeihen.«
»Der Sohn Lady Oonaghs«, hauchte ich. »Die Geschichte erzählte nie, was aus ihm geworden ist. Er verschwand einfach aus Sevenwaters, als der Zauber gelüftet wurde.«
»Das ist nur angemessen.« Ciarán klang weiterhin verbittert. »Mein Vater hat mich gefunden und zurückgebracht. Ich lebte achtzehn Jahre in den Nemetons, Liadan. Ich hielt mich in jeder Hinsicht für einen Druiden. Stell dir also vor, was für ein Schlag die Enthüllungen jenes Abends für mich waren. Und ich trug weiterhin zu meiner eigenen Schande bei. Ich lief davon. Ich überließ Niamh ihrer Verzweiflung und dem Schrecken. Mit dieser Last lebe ich jeden Tag. Ganz gleich, wie sorgfältig ich sie nun bewache, ganz gleich, wie gut ich sie beschütze, ich kann nicht ausschließen, was an jenem Abend getan wurde, denn das Vermächtnis ist tief in uns eingraviert.«
Ich sagte vorsichtig: »Wohin bist du gegangen, als du Sevenwaters an jenem Abend verlassen hast? Conor sagte, du hättest dich aufgemacht, deine Vergangenheit zu finden. Hast du … hast du deine Mutter gesucht? Ist sie …?«
Ich hielt inne. Es kam mir so vor, als wären gewisse Dinge zu gefährlich, um laut von ihnen zu sprechen.
»Ich habe es ihm gesagt.« Ciaráns Stimme war finster. »Ich habe es Conor gesagt. Ich habe gesagt, ein Mann kann dem Blut, das in seinen Adern fließt, nicht entkommen. Ganz gleich, ob er es als Kind entdeckt oder viel später, wenn er sich für ein ganz anderes Geschöpf hält, vielleicht für eines, das es zu edlem Geist zieht und zum Guten, es ist gleich, denn früher oder später treibt die Saat, die in uns gesät wurde, Früchte – jenes Erbe, das wir in uns tragen, beginnt uns zu beherrschen. Wenn sie es mir nicht gesagt hätten, wäre ich vielleicht alt geworden, bevor das böse Blut, das ich in mir habe, sich deutlich gezeigt und mich gezwungen hätte, dem Licht den Rücken zuzuwenden. Nun weiß ich es, habe ich ihm gesagt, und ich werde herausfinden, welche Macht dieses Erbe bringt und wie ich sie einsetzen kann. Du solltest nicht so bereitwillig sein, mich Bruder zu nennen. Und dann bin ich gegangen, im Geist noch weiter weg als im Körper. Eine gefährliche Reise. Meine Mutter weiß gut, wie man sich verbirgt. Sie wollte nicht gefunden werden, noch nicht. Aber ich fand sie. Ich habe gelernt, die Grenze zu jenem Reich zu überschreiten, in dem sie sich nun verbirgt und wo sie wartet.«
»Wie? Wie hast du so etwas tun können?«
»Es gehört zur Ausbildung der Druiden, dass man lernt, dorthin zu gehen und zurückzukehren. Eine Prüfung durch Feuer und Wasser und durch Erde und Luft. Ich hatte sie schon vorher über mich ergehen lassen, aber dies war anders.« Seine Stimme zitterte. In diesem Augenblick erinnerte ich mich, dass er immer noch kein verbitterter, alter Mann war, sondern kaum älter als ich selbst.
»Du sagst, sie wartet. Wartet … worauf?«
Ciarán verschränkte die Arme und wandte den Blick von mir ab. Er starrte in den kalten Morgenhimmel.
»Du hast viele Fragen«, sagte er.
»Es ist lange Zeit her, dass ich etwas von euch gehört habe«, sagte ich leise. »Auch ich habe eine Botschaft. Oder genauer gesagt, ich habe etwas, das ich meiner Schwester zurückgeben möchte. Ich habe es hier. Sie braucht es vielleicht.« Ich griff in meinen Beutel und nahm das Halsband heraus, das ich für Niamh gemacht hatte, die Schnur, in
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