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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Eamonn.
    »Ich dachte, ich würde zusehen«, sagte er. »Aber ich habe nicht die Nerven dazu. Mach dir keine Gedanken, meine Wachen haben Anweisung, dich suchen zu lassen. Wenn du Schlüssel brauchst oder einen starken Mann, um einen Riegel oder zwei zu lösen, frag nur, und sie werden dir helfen. Aber du genießt solche Dinge ja, nicht wahr, Liadan? Man hat mir gesagt, dass du bei deinem letzten Besuch wie eine kleine rollige Katze hier herumgestreift bist. Also los. Bis zur Abenddämmerung ist es nicht mehr lange. Ach, und was diesen Vogel angeht … Wenn er sich noch einmal auf einen meiner Männer stürzt, wird er sich auf dem Abendbrottisch wiederfinden, und zwar in Pastetenteig.«
    Wir waren während seiner Worte über den Hof gegangen, und Fiacha flatterte über unseren Köpfen hin und her und landete schließlich auf einem leeren Wagen.
    »Also los, geh schon«, wiederholte Eamonn, als schickte er ein ungezogenes Kind weg.
    Ich zweifelte nicht daran, wo ich suchen musste, und ich fürchtete, was ich entdecken würde. Ich fällte einen raschen Entschluss und sah Fiacha direkt in das helle, wissende Auge. Flieg los, sagte ich, hol Hilfe. Geh sofort. Ich brauche noch vor dem Abend Hilfe.
    Er flog davon, so rasch wie ein Pfeil vom Bogen schnellt, flatterte in den Himmel auf und nach Süden, direkt nach Süden. Dann raffte ich die Röcke und ging hinunter in den Tunnel, vorwärts in den Schatten.
    Für die Wachen muss es schwierig gewesen sein. Sie hatten ihre Befehle und würden ihnen gehorchen. Dennoch sahen sie einander an und murmelten leise, als ich ihre unterirdische Welt durchsuchte, eine finstere Zelle nach der anderen, und die Zähne zusammenbiss, um nicht weinen zu müssen, und versuchte, mein heftig klopfendes Herz und meinen Atem zu beruhigen, wenn ich in eine leere Zelle nach der anderen stürzte.
    »Wo sind sie?«, fragte ich. »Sagt es mir!« Aber sie traten von einem Fuß auf den anderen und schwiegen. Der Bemalte Mann hatte von Eamonns Leuten nur Furcht und Hass zu erwarten.
    Hinter den kleinen Zellen, die ich bereits kannte, war eine eisenverriegelte Tür. Ich bat um Hilfe, und ein großer, grauhaariger Mann mit Muskeln wie Seile trat vor und öffnete sie für mich. Steintreppen führten abwärts.
    »Ich brauche eine Laterne.« Johnny wurde auf meinem Rücken nun unruhig und war der Einschränkungen seiner Bewegungen müde. Nachdem er gerade erst gelernt hatte, sich selbst zu bewegen, war er begierig auf neue Abenteuer. Ich würde nicht an Johnny und den Weg über den Sumpf denken. Ich würde nur daran denken, was jetzt als Nächstes bevorstand.
    »Lord Eamonn hat nichts von Laternen gesagt.«
    »Ich brauche Licht. Es ist pechschwarz da drunten. Ich könnte stürzen, und das Kind könnte sich das Genick brechen. Wollt ihr diese Geschichte euren Frauen heute Abend erzählen?«
    Niemand regte sich. Grimmig raffte ich meine Röcke und tastete mich die Stufen hinab. Eine. Zwei. Es war so dunkel, dass ich meine Hand nicht vor den Augen sehen konnte.
    »Hier, Herrin.«
    Licht flackerte auf den Steinmauern. Der Grauhaarige war eine Stufe hinter mir, eine kleine Laterne in der Hand. Ich wollte danach greifen.
    »Ich trage sie für Euch. Kümmert Ihr Euch um das Kind. Diese Stufen sind alt und unregelmäßig.«
    Es waren zehn Stufen, dann führte ein schmaler Gang tief unter die Erde. Es war sehr still. Es gab nicht einmal ein Zeichen davon, dass Ratten oder Käfer hier ein Zuhause gefunden hatten. Im trüben Licht waren Eisenringe zu erkennen, die in die spinnwebenverhangenen Wände eingelassen waren. Am Ende des Gangs befand sich eine weitere Tür, oder genauer gesagt ein Gitter an Scharnieren, das mit einer schweren Kette verschlossen war. Die Luft hier war stickig und erdrückend.
    »Herrin.« Der Mann sprach leise und verlegen. »Diese Männer sind Gesetzlose und der Mühe nicht wert. Ihr solltet es bleiben lassen und Euch und das Kind retten. Ihr werdet nie durch die Marschen kommen. Wenn Ihr es versucht, seid Ihr so gut wie tot und Euer Kind mit Euch. Gebt auf. Wir werden Euch sicher nach Hause bringen. Keiner von uns will das auf seinem Gewissen haben.«
    »Gib mir den Schlüssel«, sagte ich. Er legte ihn mir ohne ein weiteres Wort in die Hand.
    Hinter dem Gitter gab es nur eine einzige kleine Kammer, und dort fand ich Möwe. Ich hörte seinen Atem, bevor das Licht auf seine dunklen Züge fiel, die nun von kränklichem Grau waren, seine Augen glänzend vom Fieber, die Kleidung aufgerissen und

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