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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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überleben zu können.
    »Seid Ihr sicher?« Sie hatten Bran wieder zu meinen Füßen fallen lassen, und nun trat der grauhaarige Mann einen Schritt zurück. Hoch droben auf der Festungsmauer sammelten sich Männer und sahen zu. »Es ist noch nicht zu spät. Lasst dieses Aas hier liegen und geht mit dem kleinen Jungen nach Hause.«
    »Ihr solltet lieber gehen.« Ich kniete nieder und nahm Brans Kopf auf meinen Schoß. »Lord Eamonn wird zweifellos euren Bericht hören wollen.«
    »Rettet zumindest das Kind! Ihr könnt den Sumpf nicht lebend überqueren. Dieser Straßenköter da ist beinahe tot, und der andere kann nicht einmal geradeaus laufen. Wenn Ihr es auf diesem Weg versucht, seid Ihr so gut wie tot. Ihr könntet den Jungen zurücklassen. Es gibt Leute hier, die sich um ihn kümmern und ihn sicher nach Hause bringen werden.«
    Etwas blitzte in meiner Erinnerung auf: die Stimme meines Onkels Finbar, wie er vor langer Zeit zu mir gesagt hatte: Das Kind gehört dir. Und du willst auch noch den Mann dazu … hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass du vielleicht nicht beides haben könntest?
    »Wir gehen zusammen«, sagte ich beinahe zu mir selbst und fuhr sanft mit der Hand über Brans rasierten Schädel, wo das nachgewachsene lockige Haar das wilde Rabenmuster heller erscheinen ließ. »Wir alle zusammen.«
    Der Mann sagte nichts mehr, und bald hatten sich Eamonns Leute hinter die Festungsmauern zurückgezogen, bis auf zwei Wachen mit einem Hund, die in der Nähe patrouillierten. Uns ließ man am Rand des finsteren Sumpfes liegen: Bran hilflos am Boden, ich bei ihm sitzend mit den Kind immer noch auf dem Rücken, und Möwe, der aufrecht stand und auf das Marschland hinaus zu den entfernten Hügeln im Norden schaute. Er schwankte ein wenig.
    »Schlange«, murmelte er. »Otter. Andere. Da drüben.«
    »Meinst du, sie werden dort sein, wenn wir rüberkommen können?«
    »Andere. Drüben.« Er taumelte von einem Fuß auf den anderen und setzte sich plötzlich hin. »Kopf. Tut mir Leid. Hände.«
    »Ich würde mich darum kümmern, wenn ich nur könnte! Wenn wir drüben sind … wenn wir in Sicherheit sind, werde ich dir den Schmerz beträchtlich lindern und dir etwas geben können, das das Fieber senkt. Ich habe nach Hilfe geschickt, aber ich kann nicht sicher sein, dass jemand kommt, Möwe. Hast du verstanden?«
    »Verstanden«, gab er leise zurück.
    »Wir haben nur Zeit bis zum Abend, um davonzukommen. Wenn die Sonne sinkt, werden Eamonns Bogenschützen anfangen zu schießen, und dann kommen sie mit Fackeln herunter. Wir haben nur einen möglichen Weg. Wenn Bran … wenn der Hauptmann nicht rechtzeitig zu sich kommt, weiß ich nicht, was wir tun sollen.«
    In diesem Augenblick beschloss Johnny, sich zu melden, und es gab keine andere Wahl, als ihn aus der Schlinge zu holen und ihn zu stillen. Möwe war anscheinend von seinem Fieber noch nicht vollkommen betäubt, denn er beeilte sich, Brans Kopf und Schultern mit seinen Knien zu stützen, während ich mich mit dem Kind beschäftigte. Und nun, mit Johnny an der Brust und dem schwindenden Licht, das die zarte Färbung frischer Lavendelblüten annahm, und keinem Laut rings umher außer dem Schreien der Reiher im Sumpf, als Bran immer noch reglos dalag wie ein gemeißelter Krieger auf einem Grabmal, konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Was hatte ich getan? Wieso hatte ich geglaubt, die Warnungen des Feenvolks ignorieren zu können? Ich hatte irgendwie gedacht, diese Männer retten zu können, eine Zukunft für sie und für mich selbst schaffen zu können. Nun sah es aus, als würden wir alles verlieren, und Johnny ebenfalls. Wäre mein elender Stolz nicht gewesen, dann wäre jetzt zumindest das Kind in Sicherheit.
    »Stirbt«, stellte Möwe tonlos fest. »Schlag auf den Kopf. Wird nicht wach. Er würde Messer wollen, wenn er könnte.«
    »Nun, das kann er nicht«, fauchte ich und hatte meine Tränen vergessen. »Es ist nicht seine Entscheidung. Er darf nicht sterben. Ich werde es ihm nicht erlauben.«
    Der Schatten eines Kicherns. »Habt gegen die Regeln verstoßen, ihr beiden. Wartet, bis ich das Schlange sag …« Seine Worte verklangen zu einem gequälten Keuchen.
    »Möwe. Wir müssen es versuchen.«
    »Verstanden. Gehen. Tragen. Ich bin stark genug.«
    »Das bezweifle ich nicht. Und du kennst den Weg, denn du hast meine Schwester einmal hinübergeführt. Aber du bist verwundet und erschöpft, und er wird dir nicht helfen können.«
    »Stark

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