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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Männer vom Pferd und töteten sie lautlos, einer mit einem Messer, einer mit der Schnur, einer mit einem klugen Daumen an der Kehle. Was mich anging, hatte man meine Strafe ganz besonders ausgewählt. Ich konnte den Mann, der mich von hinten hielt, nicht sehen, obwohl ich alle Kraft, die ich hatte, einsetzte, um mich loszureißen. Ich spürte meinen eigenen Tod im Rücken. Aber so sollte es nicht sein. Stattdessen wurde ich dort festgehalten, musste zusehen und zuhören, wie meine Männer vor und hinter mir starben, einer nach dem anderen, und ihre Pferde voller Angst vom Weg rannten und vom bebenden Wasser der Marsch verschlungen wurden. Mein eigenes Tier rührte sich nicht, und sie ließen es in Ruhe. Man gestattete mir, nach Hause zurückzukehren. Ich hatte hilflos zusehen müssen, wie meine Männer getötet wurden, dann ließ man mich frei.«
    »Aber warum?«, hauchte Sean.
    »Ich bin selbst jetzt noch nicht sicher, dass ich das verstehe«, meinte Eamonn schlicht. »Der Mann, der mich fest hielt, der sein Messer gegen meine Kehle drückte, war fähig genug, um mich davon abzuhalten, mich länger zu wehren. Bei dieser Art von Zweikampf besaß er eine Kunstfertigkeit, die ich mir zuvor kaum vorstellen konnte. Ich hatte keine Hoffnung, mich losreißen zu können. Voller Entsetzen wartete ich darauf, dass der Letzte meiner Männer starb. Und ich glaubte beinahe, dass die Gerüchte wahr wären, als ich durch die Nebelschwaden hier und da einen Blick auf jene werfen konnte, die ihnen so kühl und unbeteiligt das Leben nahmen.«
    »Waren sie denn tatsächlich halb Mensch, halb Tier?«, fragte Aisling zögernd, weil sie zweifellos befürchtet hatte, für dumm gehalten zu werden. Aber niemand lachte.
    »Es waren Menschen«, meinte Eamonn, aber in einem Tonfall, der nahe legte, dass man daran zweifeln mochte. »Aber sie trugen Helme oder Masken, die darüber hinwegtäuschen sollten. Man glaubte, vielleicht einen Adler zu sehen oder einen Hirsch; andere hatten tatsächlich Zeichen auf der Haut, vielleicht über den Brauen oder am Kinn, die wie das Gefieder eines Vogels wirkten. Einige hatten ihre Helme mit Federn geschmückt, einige trugen Umhänge aus Wolfsfell. Ihre Augen … ihre Blicke waren so ruhig. So still wie der Tod. Als hätten sie keine menschlichen Empfindungen.«
    »Was ist mit dem Mann, der dich festhielt?«, fragte Liam. »Was für eine Art von Mann war er?«
    »Er sorgte dafür, dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Aber ich hörte seine Stimme, und die werde ich nicht vergessen; und als er mich schließlich gehen ließ, sah ich seinen Arm, als er das Messer von meiner Kehle wegnahm. Der Arm war von der Schulter bis zu den Fingerspitzen mit einem zarten Netz von Federn und Spiralen und Verbindungsgliedern gezeichnet, mit einem kunstvollen und dauerhaften Muster, das tief in die Haut graviert war. Daran werde ich diesen Mörder wieder erkennen, wenn ich den Tod meiner Männer räche.«
    »Was hat er zu dir gesagt?« Ich konnte einfach nicht schweigen, denn es war eine faszinierende Geschichte, wie schrecklich sie auch sein mochte.
    »Seine Stimme war … sehr ruhig. Vollkommen ungerührt. An diesem Ort des Sterbens sprach er, als ginge es um eine geschäftliche Abmachung. Er sprach nur kurz. Er löste seinen Griff, und als ich Luft holte und mich umdrehte, um ihm zu folgen, verschwand er im Nebel und sagte: Lerne daraus, Eamonn. Lerne wohl. Ich bin noch nicht mit dir fertig. Und dann war ich allein. Allein, bis auf mein zitterndes Pferd und die Leichen meiner Männer.«
    »Du glaubst immer noch, dass es keine … keine Geschöpfe aus der Anderwelt waren?«, fragte meine Mutter. In ihrer Stimme lag eine Unsicherheit, die mir Sorgen machte.
    »Es sind Menschen.« Eamonns Tonfall war gefasst, aber ich konnte den Zorn darin hören. »Menschen mit beeindruckenden Fähigkeiten als Krieger, Fähigkeiten, um die sie jeder Kämpfer hier beneiden würde. Bei aller Kraft unserer Truppe ist es uns nicht gelungen, einen Einzigen von ihnen zu töten oder gefangen zu nehmen. Aber sie sind nicht unsterblich. Das habe ich entdeckt, als ich wieder von ihrem Anführer hörte.«
    »Sagtest du nicht, du hättest diesen Mann nie gesehen?«, fragte Liam.
    »Nein, nicht gesehen. Er schickte mir eine Botschaft. Es war einige Zeit später, und wir waren keinem von ihnen mehr begegnet. Deine Verstärkung war eingetroffen, und gemeinsam vertrieben wir den Rest der Männer meines Nachbarn von unserem Land. Wir ehrten unsere

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