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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Hintertür zu ziehen. Ich machte mich schlaff; er würde mich tragen müssen, um mich dort hinauszubringen. Ich spürte, wie der Druck auf meinen Mund nachließ, nur ein wenig, als er seinen Griff veränderte. Ich holte tief Luft, um laut um Hilfe zu schreien. Einen Augenblick später spürte ich einen Übelkeit erregenden Schlag auf den Hinterkopf, und alles wurde dunkel.
    ***
    Mein Kopf dröhnte. Mein Mund war so trocken wie Spreu im Sommerwind. Es gab kaum einen Teil meines Körpers, der nicht schmerzte, denn offenbar hatte man mich auf den Boden geworfen und dort so liegen lassen, einen Arm unter mir, mit dem Bauch auf dem harten Boden. Ich war nicht gefesselt. Vielleicht würde ich eine Möglichkeit haben zu entfliehen, wenn ich erst herausgefunden hatte, was geschehen war. Sie hatten mir das kleine Messer vom Gürtel genommen. Das überraschte mich nicht. Ich lag reglos, die Augen geschlossen. Ich konnte Vögel singen hören, viele Vögel, und Wind in den Blättern, und Wasser, das über Steine lief. Also war ich weit draußen, irgendwo in diesem großen, bewaldeten Bereich hinter dem Dorf. Es war nicht mehr länger Tag; als ich die Augen ein winziges bisschen öffnete, schloss ich, dass die Dämmerung rasch näher kam. Wie lange würde es dauern, fragte ich mich, bevor jemand Alarm gab? Wie lange, bevor jemand versuchte, mich zu finden? Man hatte mir einen wirkungsvollen Schlag versetzt, dazu berechnet, mich bewusstlos zu machen, damit ich lange genug schwieg, aber keinen größeren Schaden davontrug. In gewisser Weise war das ein gutes Zeichen. Die Frage war, wozu?
    »Sie werden bei Sonnenuntergang zurückkehren.«
    »Und?«
    »Wer wird es ihm dann sagen? Wer wird es erklären? Ich ganz bestimmt nicht, das ist sicher.«
    »Schade, dass wir es nicht verschweigen können. Ihn irgendwie auf einen Auftrag schicken, so weit weg wie möglich. Sieht es langsam danach aus, als würde sie aufwachen?«
    »Sie regt sich nicht. Du hast sie doch nicht umgebracht, Hund?«
    »Wer, ich? Eine kleine Frau wie die da töten? Bei meinem empfindsamen Herzen?«
    Dann hörte ich ein schreckliches Ächzen, als läge ein Mensch im Sterben. Das entsetzte mich so sehr, dass ich vergaß, so zu tun als ob ich schlief und mich rasch aufsetzte. Ein Fehler. Der Schmerz in meinem Kopf war so gewaltig, dass mir übel wurde, und einen Augenblick lang sah ich nur Sterne. Ich drückte die Hände an die Schläfen und schloss die Augen, bis das Pochen aufhörte. Das schreckliche Ächzen ging weiter.
    »Hier«, sagte eine Stimme. Ich öffnete vorsichtig die Augen. Ein Mann hockte neben mir, einen Becher in der Hand. Der Becher war aus einfachem dunklem Metall. Die Hand, die ihn hielt, war sogar noch dunkler. Ich sah dem Mann ins Gesicht, und er grinste und zeigte dabei schimmernde weiße Zähne mit einer oder zwei Lücken. Sein Gesicht war so schwarz wie die Nacht. Ich vergaß meine gute Erziehung und starrte ihn an.
    »Du hast sicher Durst«, sagte er. »Hier.«
    Ich nahm den Becher mit Wasser und trank ihn leer. Langsam konnte ich wieder klarer sehen. Wir waren auf flachem Boden bei einem kleinen Bach, wo die Büsche und Bäume weniger dicht wuchsen. Es gab große, moosbedeckte Steine und dichten Farn am Ufer. Es hatte geregnet, aber wir waren von überhängenden Weiden geschützt worden. Noch zwei andere Männer waren anwesend, die jetzt beide standen, die Hände auf die Hüften gestützt, und auf mich niederstarrten. Alle drei waren außergewöhnlich; der Stoff für fantasievolle Geschichten. Der eine hatte die Hälfte seines Schädels kahl rasiert und die andere nicht, so dass das Haar dort lang und verfilzt war, dunkel bis auf eine weiße Strähne an der Schläfe. Um den Hals trug er eine Lederschnur, auf die drei große Krallen aufgefädelt waren, vielleicht die eines Wolfes, obwohl das ein größerer Wolf gewesen sein musste, als die meisten Menschen je sehen würden oder sehen wollten. Das Gesicht dieses Mannes war von kleinen Pockennarben gekennzeichnet, und er hatte wilde gelbe Augen. Sein Kinn war mit einem ordentlichen Muster versehen, die Tinte in einander überschneidenden Ovalen von der Lippe bis zum Kinnrand gezogen. Der zweite Mann hatte Zeichen rund um seine Handgelenke, die Schlangen darstellten, und über seinem Hemd trug er ein seltsames Gewand, das offenbar aus Schlangenhaut bestand. Auch auf seinem Gesicht befanden sich Zeichen, diesmal auf der Stirn. Es waren kunstvoll ausgeführte Schuppen und eine gespaltene, giftig

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