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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Aufbruch vorbereiteten. Der Himmel war schwer von Wolken; es würde vor Sonnenuntergang noch regnen.
    »Herrin!« Das war eine Dorfbewohnerin, eine junge Frau mit einem abgehärmten, faltigen Gesicht, das Haar in einem alten grünen Tuch zurückgebunden. »Herrin!« Sie kam auf mich zugerannt, atemlos in ihrer Hast. Liams Männer waren gut ausgebildet. Bevor die Frau auch nur in meine Nähe kam, standen zwei von ihnen direkt neben mir, die Hände am Schwertgriff. Ich stand auf. »Was ist? Was ist los?«
    »Oh Herrin«, keuchte sie und hielt sich die Seite. »Ich bin so froh, dass Ihr noch nicht weg seid. Ich bin noch rechtzeitig gekommen! Es ist mein Junge, Dan. Ich habe gehört … sie sagen, Ihr seid die Tochter einer großen Heilerin. Herrin, Danny hat ein Fieber, das einfach nicht nachlässt. Er zittert und bebt und redet Unsinn, und ich habe so schreckliche Angst um ihn. Könntet Ihr nicht schnell, bevor Ihr aufbrecht, mitkommen und ihn Euch einmal ansehen?«
    Ich suchte bereits nach meinem Gepäck, denn ich reiste nie ohne die grundlegenden Vorräte eines Heilers.
    »Das ist keine gute Idee, Herrin.« Der Anführer meiner Bewaffneten runzelte die Stirn. »Wir sollten direkt aufbrechen, damit wir bei Einbruch der Dunkelheit einen sicheren Ort erreicht haben. Lord Liam hat gesagt, direkt hin und direkt zurück.«
    »Habt ihr denn keine eigenen Heiler?«, fragte ein anderer Mann die Frau.
    »Nicht solche wie die Herrin hier«, erklärte die Frau mit einer Spur von Hoffnung in der Stimme. »Es heißt, sie hätte magische Hände.«
    »Das gefällt mir einfach nicht«, sagte der Anführer.
    »Bitte, Herrin. Er ist mein einziger Sohn, und ich habe schon beinahe den Verstand verloren vor Sorge, denn ich weiß wirklich nicht, was ich noch tun soll.«
    »Es wird nicht lange dauern«, erklärte ich, griff nach meiner Tasche und ging auf das Dorf zu. Die Männer sahen einander an.
    »Ihr beiden geht mit der Lady Liadan«, wies der Anführer sie an. »Einer an jeder Tür, und ihr lasst niemanden hinein oder hinaus bis auf diese Frau und die Lady selbst. Haltet die Augen und Ohren offen und zieht die Waffen. Du stehst Wache, wo du den Weg zur Hütte sehen kannst. Du unten am Ende des Weges. Fergus und ich werden auf die Pferde aufpassen. Beeilt Euch bitte, Herrin. Man kann dieser Tage nicht vorsichtig genug sein. Es gibt eine Menge Banditen auf der Welt.«
    Es war dunkel in der Hütte, deren Wände aus Rohrgeflecht und Schlamm bestanden und die mit Stroh gedeckt war. Neben dem Strohsack des Jungen brannte eine abgeschirmte Kerze. Die Männer taten, was man ihnen gesagt hatte. Den an der Hintertür konnte ich nicht sehen; der andere stand direkt vor der Vordertür, wo er sowohl mich als auch den Eingang bewachen konnte. Ich legte dem Jungen die Hand auf die Stirn und berührte mit den Fingern sein Handgelenk, wo das Blut pulsierte.
    »Er ist nicht so sehr krank, dass ein Kräutertee nicht helfen würde«, sagte ich. »Gebt immer eine Hand voll davon in einen großen Becher mit heißem Wasser. Lasst es ziehen, bis die Farbe tiefgolden ist, dann rührt gut um und lasst es abkühlen, bis Ihr bequem einen Finger hineinstecken könnt. Gebt dem Jungen zweimal am Tag einen Becher davon. Versucht nicht, ihn zum Essen zu drängen; er wird es bald genug tun, wenn er bereit ist. Dieses Sommerfieber ist recht weit verbreitet. Ich bin überrascht, dass Ihr …«
    Ich sah eine Veränderung im Blick des Jungen, als er über meine Schulter und über mich hinwegschaute, und ich sah, wie die Frau lautlos zurückwich, eine stumme Bitte um Verzeihung in ihrem abgehärmten Gesicht. Ich versuchte mich aufzurichten und umzudrehen, aber als ich das tat, legte sich eine große Hand über meinen Mund, und ein muskulöser Arm packte mich um die Taille, und mir wurde klar, dass ich in die Falle gegangen war. Iubdans Ausbildung hatte dafür gesorgt, dass ich in einer solchen Situation nicht völlig hilflos war. Ich schlug die Zähne in die Hand meines Gegners, so dass er seinen Griff einen Augenblick lang lockerte, gerade lange genug, dass ich den Fuß rasch hochziehen und ihn zwischen den Beinen erwischen konnte. Aber er ließ mich nicht los. Er sog scharf den Atem ein, das war alles. Ich schmeckte sein Blut. Ich hatte ihn gezeichnet. Aber er schwieg. Er fluchte nicht. Er hielt mich nur fester. Wo waren meine Wachen? Wie war er hereingekommen? Nun war selbst die Frau nirgendwo mehr zu sehen. Der Mann begann sich zu bewegen, versuchte, mich zur

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