Der Sohn der Schatten
bereits abgewogen habe. Ich handle nicht aus einer Laune heraus.«
Ich zuckte die Achseln. »Ich verstehe, dass ein Mann wie du seine Krieger als Einheit mit einem gewissen Wert sieht, wie Spielfiguren in einem tödlichen Spiel, die man nur aufgibt, wenn man einen Vorteil dadurch hat, und die man wegen ihres Werts für den Spieler schützt. Ich weiß, dass es die Frauen sind, die warten, bis das Spiel vorüber ist, um dann die zerbrochenen Spielfiguren aufzulesen und zu versuchen, sie zu retten.«
»Oh nein.« Seine Stimme war kalt. »Das ist nur die halbe Wahrheit – aber von deiner Art hatte ich nichts Besseres erwartet. Es sind Frauen, die den größten Schaden anrichten, die ihre Männer auf einen Pfad der Zerstörung führen. Mein Leben ist auf diese Weise zerstört worden. Hör auf, mir über die heilenden Kräfte einer Frau zu predigen. Du weißt überhaupt nichts. Du verstehst nichts.« Er hatte die Fäuste fest geballt, obwohl seine Arme noch lässig verschränkt waren.
»Evan hat dir eine Frage gestellt«, sagte ich vorsichtig. »Was wird aus mir? Kann ich jetzt nach Hause?«
Er starrte mich kalt und abschätzend an. »Es ist klar, wie wenig du von der wirklichen Welt weißt«, bemerkte er. »Du verstehst es immer noch nicht, wie? Vielleicht erklärt das deinen Mangel an Furcht. Sag es ihr, Hund.«
»Hauptmann …«
»Sag es ihr.«
»Es ist Folgendes«, murmelte Hund. »Der Hauptmann sagt, dass er ein Problem hat. Er kann dich nicht mitnehmen, das würde uns viel zu sehr verlangsamen, wäre zu viel Ablenkung für die Männer und so. Er kann dich auch nicht zurücklassen. Im Lager des Bemalten Mannes gibt es so etwas wie Besucher nicht. Wenn jemand in Geschäftssachen herkommt, werden ihm die Augen verbunden. Du hast zu viel gesehen und gehört. Das ist das Problem.«
»Aber …« Mein Herz begann wie wild zu klopfen. Sie meinten doch nicht … sicher hatten sie nicht vor … große Dana, hilf mir, der Hauptmann hatte Recht. Ich war wirklich dumm. »Du sagst mir also«, flüsterte ich, »dass du dieselbe Lösung anwenden wirst, wie du sie für Evan hier vorhattest, wenn ich mich nicht eingemischt hätte? Die Lösung mit dem kleinen scharfen Messer, ein sauberer Schnitt, und dann bist du mich los? Ist es das, was du vorhattest?«
»Nur über meine Leiche«, knurrte der Schmied.
»Glaub mir, auch daran habe ich gedacht«, meinte Bran. »Ihr seid eine verdammte Plage, alle beide, und ich bedauere bitter, dass ich euch je nachgegeben habe. Aber du«, sagte er und nickte Evan zu, »du hast deine Chance verdient, indem du so lange überlebt hast. Du wirst mit uns kommen. Was dich angeht«, mit einem Blick zu mir, »meine Männer haben mich in eine sehr unangenehme Situation gebracht. Sie haben mich gebeten, dich mitzunehmen. Tatsächlich haben sie mir klar gemacht, dass es zu einer Art Meuterei führen würde, wenn ich mich weigerte. Das ist der Einfluss von ein paar seltsamen Geschichten, erzählt von einer, die sich sehr gut mit der weiblichen Kunst der Überredung auskennt, die ihr Gesicht und ihren Körper und ihre honigsüßen Worte einsetzt, um einen Mann dazu zu bringen, zu tun, was er nicht tun sollte.«
»Das ist lächerlich!«, rief ich zornig, als die Angst erst der Empörung gewichen war. »Wie kannst du es wagen, mich zu kritisieren? Ich habe keine niederen Motive, wie du andeutest! Ich habe bei allem, was ich hier getan habe, nur versucht zu helfen. Bei allem. Ich bin keine … keine Verführerin – sieh mich doch an, wie kannst du dir nur einbilden … außerdem hast du dein Versprechen gebrochen. Du befindest dich selbst auf unsicherem Boden.«
»Oh nein«, meinte Bran leise. »Ich halte meine Seite des Handels ein, so gut ich kann. Du wirst bleiben und dich um deinen Patienten kümmern, wenn er die Reise übersteht. Meine Männer gestatten mir hier keine Alternative. Und was immer du gerne glauben möchtest – ich respektiere ihre Wünsche, wenn das möglich ist. Ein guter Anführer muss das tun. Du solltest aber verstehen, dass wir uns später dieser Entscheidung abermals stellen müssen. Je länger du bei uns bleibst, je mehr du siehst, desto unmöglicher wird es, dass wir dich zurückschicken. Ist es das, was du willst?«
»Wann war das, was ich will, für dich je von Belang?«, wollte ich wissen, und die Tränen, die mir in die Augen traten, waren Tränen des Zorns. Ich blinzelte sie weg. Mir war bis jetzt nicht klar gewesen, wie sehr ich mich danach sehnte, meine
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