Der Sohn der Schatten
nickte. »Es tut mir Leid«, sagte ich.
»Das ist nicht nötig«, sagte Bran. »Es kommt ungebeten, das erkenne ich. Du bist bei uns in Sicherheit. Aber das ist es nicht, was dich erschreckt, oder?«
»Sicherheit«, wiederholte ich. »Es geht mir nicht um meine eigene Sicherheit.«
»Wessen sonst? Meine kannst du ja wohl kaum meinen. Warum solltest du dir deshalb Sorgen machen?«
Ich konnte nicht antworten.
»Du siehst meinen Tod? Das macht dir Sorgen? Das sollte es nicht. Ich fürchte ihn nicht. Es gibt Zeiten, da würde ich ihn willkommen heißen.«
»Du solltest ihn fürchten«, sagte ich sehr leise. »Zu sterben, bevor du dich wirklich kennst, ist etwas Schreckliches.«
Ich hatte die Last meiner seltsamen Gaben nie intensiver empfunden als an jenem Abend, und als wir durch den Eingang in die unterirdische Kammer gingen, machte ich vor mir ein Zeichen in die Luft, eines, das ich einmal bei Conor gesehen hatte, und ich sprach lautlos die uralten Geister an, die das kalte Reich unter uns bewohnen mochten. Wir achten diesen Ort und die Schatten, die sich hier befinden. Wir wollten nichts Böses. Wir suchen hier nur Zuflucht, wir wollen diesen Ort nicht entehren. Und tief in mir hörte ich die Stimme meiner Mutter. Du bist außerhalb des Musters, Liadan. Das könnte dir große Macht verleihen. Es könnte dir gestatten, Dinge zu verändern.
Wir gingen hinein, durch eine kurze Passage in die Hauptkammer, um die die riesige Struktur ausbalancierter Steine und hölzerner Stützpfeiler gebaut worden war. Sie war leer gewesen, jetzt befanden sich hier Bettrollen und Packtaschen, ordentlich an den Wänden gestapelt. Mit stiller, geordneter Aktivität bereiteten sich Brans Männer auf den nächsten Aufbruch vor. Rationen harten Brots, getrockneten Fleischs, Wasser und Bier wurden verteilt, ungewöhnliche Waffen überprüft, eine Landkarte zu Rate gezogen, leise Worte gewechselt. Diese Männer waren erfahren; während ich erschöpft war bis zu dem Punkt, im Stehen einschlafen zu können, schien ihnen der lange Ritt nichts ausgemacht zu haben. Dann hörte ich den Schmied stöhnen, als er das Bewusstsein wiedererlangte, und hatte plötzlich zu viel zu tun, um an etwas anderes als meine Arbeit zu denken.
Es dauerte lange, bis Evan unruhig eingeschlafen war, versehen mit dem stärksten Kräutertrank, den ich ihm geben konnte, ohne sein Leben zu gefährden. Ich saß im Schneidersitz auf dem gestampften Boden neben ihm, hielt Wache und wischte ihm das bleiche, verschwitzte Gesicht hin und wieder mit kaltem Wasser ab. Die Haut seiner Schulter und Brust hatte eine zornige Rotfärbung angenommen. Einige Männer ruhten, andere hielten am Eingang und Ausgang Wache. Es roch intensiv nach Pferd, denn sie hatten die Tiere mit hereingebracht; sie standen lose angepflockt am anderen Ende der Kammer. Otter bewegte sich zwischen ihnen, einen Eimer Wasser in den Händen.
Hund saß in meiner Nähe. In seinen kleinen Augen stand tiefer Ernst, er schaute ungewöhnlich grimmig drein. In einer anderen Ecke debattierten Möwe und Schlange mit ihrem Anführer. Möwes Hände bewegten sich in raschen, ausdrucksvollen Gesten, aber die Bedeutung war mir nicht klar, und sie sprachen leise. Schlange warf mir einen Blick zu, dann sagte er noch etwas zu Bran und runzelte die Stirn. Bran schaute streng drein, wie üblich. Ich sah, wie er die Achseln zuckte, als wollte er sagen, wenn es euch nicht gefällt, ist das euer Problem.
»Wir werden morgen weiterziehen«, sagte Hund leise. »Wir werden dich vielleicht eine Weile nicht sehen. Du bleibst selbstverständlich hier. Glaubst du, er wird es schaffen?«
Einen Augenblick lang lauschten wir dem rasselnden Geräusch von Evans Atem.
»Ich tue mein Bestes, um ihn am Leben zu halten. Aber ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass es nicht gut aussieht.«
Hund seufzte tief. »Meine Schuld. Sieh dir nur an, in was ich dich reingezogen habe. Und das alles für nichts.«
»Still«, sagte ich und tätschelte seine große Hand. »Wir sind alle verantwortlich. Aber er am meisten.« Ich warf einen Blick quer durch die Kammer.
»Du kannst es dem Hauptmann nicht übel nehmen«, sagte Hund leise. »Er wollte nicht gehen. Er hatte eine Botschaft erhalten, dass jemand hinter uns her war. Wenn so etwas passiert, muss man schnell verschwinden. Wir wären alle erledigt gewesen, wenn wir nicht weitergezogen wären.«
»Ich wäre in Sicherheit gewesen«, meinte ich trocken. »Vielleicht haben die, die euch verfolgen, nach
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