Der Sohn des Apothekers (German Edition)
setzten ihn unter Druck. Sven schaltet
in so einem Moment ab. Seine Reaktionen sind unterschiedlich. Entweder er
stellt auf stur und sagt überhaupt nichts mehr oder er wird zum Werkzeug –
er tut, was man von ihm will. Und ich nehme an, das war damals sein
Reaktionsmuster. Deine Kollegen haben unaufhörlich von dem Wald und von dem
Kettchen gesprochen, also führte er sie einfach dorthin, wobei ich bezweifle,
dass er auf diesem Weg der wahre Führer war. Er tat einfach das, was sie von
ihm erwarteten.«
Trevisan zog die Stirn kraus. »Das heißt, seine Aussage in
dieser Sache wurde erzwungen?«
»So könnte man sagen. Ich hoffe, du verstehst nun, warum ich
die Aufzeichnungen des Gesprächs noch einmal genau durchgehen will, ehe ich
mich dazu äußere. Und ich denke, genau deshalb hast du mich geholt. Du willst
eine klare Analyse und dafür brauche ich eben noch Zeit.«
»Ich verstehe«, entgegnete Trevisan. »Gibt es wenigstens so
etwas wie eine Tendenz?«
»Warte bis morgen.« Margot wandte sich zum Gehen. Kurz hielt
sie inne. »Nur so viel: Ich würde nicht weiter auf deine Theorie bauen, dass
Sven den Täter kennt. Der Teufel oder Schatten, wie es Sven formulierte, ist
keiner deiner Hauptverdächtigen, eher, wie ich schon vermutete, ein
situationsbezogenes Sinnbild für seine Ängste.«
Trevisan bedankte sich und winkte ihr zu, nachdem sie die Tür
zugeschlagen hatte. Als Margot im Hotelportal verschwunden war, legte er den
Gang ein und fuhr weiter. Es war kurz vor sieben Uhr. Er griff zu seinem
Mobiltelefon, das er vor dem Betreten der Klinik ausgeschaltet hatte,
aktivierte es wieder und rief auf der Dienststelle an. Eigentlich wollte er
sich nur vergewissern, dass Hanna und Lisa bereits gegangen waren, aber wider
Erwarten nahm Hanna ab.
»Ihr seid noch im Büro?«, fragte Trevisan überrascht.
»Ja, wir sind da auf etwas gestoßen, es ist besser, wenn du
kommst«, antwortete seine Kollegin.
Trevisan beschleunigte und fuhr zügig in die Schützenstraße.
Den Wagen stellte er im Hof ab, mit dem Fahrstuhl fuhr er in den dritten Stock.
Im Treppenhaus traf er auf Engel.
»Ah, da sind Sie ja,
Trevisan, haben Ihre Sie Mitarbeiter informiert? Es liegt eine Beschwerde gegen
unsere Abteilung vor.«
Trevisan schüttelte den Kopf. »Ich komme gerade aus
Langenhagen, es war ein langer Tag.«
»Trotzdem müssen wir darüber reden.«
Zähneknirschend folgte ihm Trevisan ins Büro. Engel stimmte das
Klagelied des verantwortungsbewussten Vorgesetzten an, der sich und natürlich
auch seine Mitarbeiter vor Repressalien schützen musste. Er lobte Trevisans
Arbeit mit einer Floskel, doch dann begann er seine Kritikpunkte Stück um Stück
zu erläutern. Trevisan hörte mit einem Ohr zu und überlegte, wie viele solcher
Gespräche er in seiner Laufbahn schon über sich hatte ergehen lassen müssen.
Sie endeten immer damit, dass der Vorgesetzte klar formulierte, was er für die
Zukunft von seinem Mitarbeiter erwartete.
»… davon gehe ich aus. Und künftig erwarte ich, dass Sie
solcherlei Maßnahmen mit mir absprechen, ich trage schließlich die
Verantwortung.«
»… und ich mache die Arbeit«, murmelte Trevisan.
»Bitte?«, fragte Engel irritiert.
»Nichts, es ist alles klar«, antwortete Trevisan. »Es war nur
ein sehr langer Tag. Also, wenn nichts mehr ist …?«
»Ich hoffe, Sie haben mich verstanden«, entgegnete Engel
großherzig, ehe er seinen Mitarbeiter in den Feierabend entließ.
Trevisan benutzte die Treppe, um in den dritten Stock zu
gelangen. Schnurstracks ging er auf sein Büro zu, als er Stimmen aus dem
Konferenzraum hörte. Er wandte sich um und öffnete die Tür.
Hanna und Lisa saßen am Tisch.
»Da bist du ja endlich«, sagte Hanna. »Ich dachte schon, du
kommst gar nicht mehr.«
»Entschuldigt, ich hätte auch nicht gedacht, dass Svens
Vernehmung so lange dauert.«
Lisa erhob sich. »Es gibt Neuigkeiten …«
»Ich weiß, Engel hat mir schon von der Beschwerde berichtet.«
»Ach, die Beschwerde, vergiss sie«, entgegnete Hanna. »Darum
geht es nicht. Unten sitzt ein gewisser Oberkommissar Klein, der unbedingt mit
dir sprechen will.«
»Habt ihr seinem Sohn die schriftliche Vorladung zugestellt?«,
fragte Trevisan.
»Gleich heute Mittag.«
»Dann hättet ihr ihn heimschicken können, er will sich bestimmt
auch beschweren.«
»Das glaube ich nicht«, antwortete Lisa. »Er ist hier, um mit
dir zu sprechen. Und zwar nur mit dir.«
»Und er hat irgendetwas von ›reinen Tisch machen‹
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