Der Sohn des Apothekers (German Edition)
in
Rosa und Grün und hatte ihre Haare zu einem Kranz geflochten, den eine Perlenkette
zierte. Als Trevisan näher kam, hörte er, wie sie mit einem Gast in reinem
Hochdeutsch sprach. Trevisan wartete geduldig, bis der Mann seine
Zimmerschlüssel erhalten hatte.
»Guten Tag, mein Herr«, begrüßte ihn Sarah Meierling mit einem
freundlichen Lächeln. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich würde gerne mit Ihnen sprechen, Frau Meierling.« Trevisan
präsentierte seine Dienstmarke.
Sarah Meierling erschrak. Für einen Augenblick herrschte eine
gespannte Stille.
»In Ruhe, wenn es geht«, fuhr Trevisan fort. »Ich komme aus
Hannover und ich glaube, Sie wissen, warum ich hier bin.«
Sarah Meierling zuckte mit der Schulter. »Ich … ich weiß nicht
… ich weiß nicht, was Sie von mir wollen.«
»Ich sagte doch, ich will mit Ihnen reden.«
»Wie … wie haben Sie mich gefunden?«
»Es war nicht leicht, Sie stehen in keinem Melderegister, aber
nun sind wir hier. Wir können natürlich auch auf die Dienststelle gehen, wenn
Sie das wünschen.«
Sarah Meierling überlegte einen Augenblick. »Moment, ich muss
erst meiner Vertretung Bescheid sagen.«
Sie rief eine Kollegin und führte Trevisan in ein nahes Zimmer.
Lisa folgte den beiden. Trevisan stellte sie vor, aber Sarah Meierling würdigte
Lisa keines Blickes. In dem kleinen Aufenthaltsraum nahmen sie Platz.
»Was wollen Sie von mir?«, fragte Sarah Meierling barsch,
nachdem Lisa die Tür geschlossen hatte.
»Wir wollen mit Ihnen über das Verschwinden von zwei
Radfahrerinnen vor drei Jahren in Tennweide reden«, erklärte Trevisan.
»Ich habe nichts damit zu tun und ich weiß von nichts«, sagte
sie wie aus der Pistole geschossen.
»Sie haben damals Sven Thiele betreut, den behinderten Sohn des
Apothekers.«
»Das ist nicht verboten.«
Ihre ganze Mimik, ihr Gesichtsausdruck und ihre bissigen
Antworten verrieten Trevisan, dass sie etwas zu verbergen hatte.
»Ich möchte wissen, was Sie an diesem Tag getan haben. Es war
der 29. September, ein Mittwoch. An diesem Tag haben die Eltern ihre Töchter
vermisst gemeldet.«
»Das ist lange her, weshalb soll ich das noch wissen.«
»Ich weiß von Svens Vater, dass Sie an diesem Tag mit Sven
unterwegs waren.«
»Kann schon sein«, zischte sie.
»Wo waren Sie?«
»Ich sagte doch, das ist lange her … Meistens gingen wir
zusammen spazieren. Sven ist gerne rausgegangen, in den Wald oder auf die
Wiesen am See. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern.«
»Waren Sie alleine?«
»Wir waren immer alleine.«
Trevisan kramte in seiner Tasche und zog eins der Bilder
hervor, die Sven gemalt hatte und auf dem der Teufel oder, wie Margot es zu
sagen pflegte, der dunkle Schatten zu sehen war. »Das hat Sven kurz nach dem
Tattag gezeichnet. Können Sie sich vorstellen, wer diese dunkle Gestalt auf dem
Bild ist?«
»Woher soll ich das wissen?«, antwortete sie. »Sven hat oft
Bilder gezeichnet, mein Gott. Das entstammt wahrscheinlich seiner … seiner
Fantasie. Wenn Sie ihn kennen würden, wüssten Sie: Er ist wie ein kleines
Kind.«
»Hatten Sie damals einen Freund oder gab es jemanden, der es
gerne gewesen wäre?«, mischte sich Lisa ein.
Sarah Meierling zögerte. Schließlich schüttelte sie den Kopf.
»Fräulein Meierling«, sagte Trevisan eindringlich, »Sie wissen,
dass es um zwei verschwundene Mädchen geht, die wahrscheinlich nicht mehr am
Leben sind. Wenn Sie uns etwas verschweigen, dann schützen Sie die Täter und
damit machen Sie sich selbst strafbar.«
»Ich weiß nichts, ich habe nichts damit zu tun«, blaffte sie.
»Ich muss wieder an die Arbeit.«
»Warum haben Sie Ihrer Mutter Ihre neue Adresse nicht
mitgeteilt und sich nicht ordnungsgemäß an-und abgemeldet? Es scheint mir,
dass Sie nicht gefunden werden wollten. Wovor verstecken Sie sich, Fräulein
Meierling?«
»Ich verstecke mich nicht«, antwortete sie. »Und der Rest ist
Privatsache, das geht niemanden etwas an.«
»Frau Meierling, es ist besser, wenn Sie offen mit uns reden«,
mahnte Lisa. »Wir können Sie auch offiziell vorladen, wenn Ihnen das lieber
ist.«
»Ich muss gar nicht mit Ihnen reden«, antwortete sie
feindselig. »Haben Sie einen Haftbefehl?«
Trevisan schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Sie sind
Zeugin, bislang noch, aber wenn Sie nicht kooperieren, werde ich Sie
richterlich vorladen lassen. Sie sollten uns helfen, auch in Ihrem eigenen
Interesse.«
Sarah Meierling kratzte sich an der Stirn. Ihre Augen füllten
sich
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