Der Sohn des Apothekers (German Edition)
»Meinem kriminalistischen
Spürsinn«, antwortete er.
Trevisan kratzte sich an der Stirn. Er zog eine Visitenkarte
aus seiner Jackentasche, die er dem ehemaligen Polizisten reichte. »Vielen
Dank, Sie haben uns sehr geholfen«, sagte er mit gespielter Freundlichkeit.
»Falls Ihnen doch noch etwas einfällt …«
»Eine schöne Floskel«, antwortete der Kriminaloberrat. »Wenn
Sie ehrlich wären, dann würden Sie zugeben, dass ich Sie eher verwirrt habe,
als Ihnen Klarheit zu verschaffen. Aber grüßen Sie mir Ihren Dezernatsleiter,
ich wusste schon damals, dass er es weit bringen wird.«
»Sicher«, entgegnete Trevisan und reichte Dittel die Hand.
*
Justin Belfort hatte über seine Redaktion einen Notfallservice
verständigen lassen, der die zerstochenen Reifen vor Ort austauschte. In der
Zwischenzeit hatte er seine Redaktionsassistentin angewiesen, über Padborg und
die ominöse Rockergruppe Erkundigungen einzuziehen. Vielleicht hatte dieser
Dorfpolizist recht und die Entführung der jungen Frauen vor drei Jahren hatte
etwas mit der Sache zu tun.
In der Zwischenzeit lehnte er am Geländer und schaute dem
Reifenmonteur zu.
»Das war saubere Arbeit«, verkündete der Mechaniker, seinem
Teint nach ein Südländer.
»Zerstochen, oder?«, fragte Justin.
»Hundert Prozent«, bestätigter der Monteur. »Beide, war wohl
ein Stilett oder so was.«
Justin nickte. Sein Handy klingelte und Sina Stühr, seine
Redaktionsassistentin, war am Apparat.
»Vor fünf Tagen wurden tatsächlich sieben Rocker in Padborg von
der dänischen Polizei verhaftet«, erzählte sie. »Die Gruppierung nennt sich Black
Lions . Sie hausten in einem Anwesen vor der Stadt. Es gab Hinweise auf
einen Drogendeal. Die Polizei stürmte das Anwesen und fand beinahe ein Kilo
Heroin. Bei der Durchsuchung stießen sie auf einen Gewölbekeller, in dem die
Kerle zwei junge Frauen eingesperrt hatten. Es waren Russinnen, die von den
Rockern festgehalten und zum Sex gezwungen worden waren. Die Kerle sitzen jetzt
im Gefängnis und werden wohl so schnell nicht mehr herauskommen. Sie haben auf
die Polizei gefeuert und zwei Beamte des Einsatzkommandos verletzt. Einer der
Rocker wurde bei dem Feuergefecht getroffen und erlag im Krankenhaus seinen
Verletzungen.«
»Du musst herausfinden, wer die Ermittlungen leitet«, sagte
Justin. »Vielleicht hängt das mit dieser Sache hier zusammen.«
»Ich habe meine Fühler bereits ausgestreckt«, antwortete Sina.
»Schließlich arbeite ich schon lange genug für dich.«
»Dann sag Monika, dass ich nach Padborg muss, wenn ich hier
fertig bin.«
»Bleibst du noch lange?«
»Ich fahre morgen zurück. Ich will sehen, ob ich an den Vater
des Jungen herankomme, den die Polizei damals verhaftet hat. Aber die Leute
hier sind nicht gerade nett zu mir, ich komme mir vor wie eine Pestbeule und
einen Bullen habe ich auch ständig am Hals.«
»Pass auf dich auf!«
»Mir passiert schon nichts.«
»Vergiss die zerstochenen Reifen nicht. Monika ist ganz schön
sauer und meint, das ist ein Anschlag auf die Pressefreiheit. Sie will, dass
du Anzeige erstattest und wir einen Bericht darüber bringen.«
Justin nahm das Telefon ans andere Ohr und schaute zu, wie der
Mechaniker den Wagenheber absenkte. »Wenn ich darüber im Magazin berichte und
Anschuldigungen gegen die Leute hier erhebe, dann kann ich gleich abreisen.
Hier macht sowieso keiner den Mund auf, bis auf den Bauern, mit dem ich gestern
redete, ich glaube sogar, es hat ihm gefallen, auch wenn er sich etwas
abweisend verhielt.«
»Kann ich sonst noch etwas
für dich tun?«, fragte Sina Stühr.
»Ja, ruf beim LKA an und frage, wer die Ermittlungen leitet.
Und mach einen Termin aus. Bleib beharrlich und lass dich nicht einfach
abweisen, du weißt: Die Öffentlichkeit hat ein Recht drauf, Pressefreiheit,
Informationspflicht und so weiter.«
»Ich tue, was ich kann.«
»Davon gehe ich aus«, antwortete Justin und beendete das
Gespräch. Der Mechaniker kam auf ihn zu.
Er hielt ihm einen Quittungsblock unter die Nase. »Zwei Reifen,
vor Ort montiert, ich brauche eine Unterschrift.«
Justin kritzelte seinen Namen auf die Quittung, schließlich
drückte er dem Mechaniker einen Zehner in die Hand. »Bin ich noch was
schuldig?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Die Rechnung geht an die
Redaktion und danke für den Auftrag.«
»Bitte, bitte, aber darauf hätte ich gerne verzichtet«,
scherzte Justin und wartete, bis der Mechaniker mit seinem Service-Wagen
wegfuhr, bevor er
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