Der Sohn des Apothekers (German Edition)
lächelte. »Das ist doch nicht ungewöhnlich für eine
Ferienregion, oder?«
»Es ist weder Wochenende noch sind Ferien, da ist es schon
ungewöhnlich«, antwortete der Oberkommissar.
»Geht es um den verschwundenen Journalisten?«, fragte Trevisan
unverblümt. »Oder weil damals diese Mädchen auf ihrer Radtour hier in der Nähe
verschwanden?«
Klein schaute Trevisan kritisch an, dann warf er einen Blick in
den Führerschein. »Einen Augenblick, bitte.« Er ging zurück zu seinem
Streifenwagen, setzte sich hinters Steuer und griff zum Funkgerät, während sein
kritischer Blick an Trevisan haften blieb. Nach einer Weile kehrte Klein zurück
und reichte Trevisan die Papiere.
»Na, was weiß der Polizeicomputer über mich?«
Klein lächelte. »Sie wohnen bei Rosi Meierling, richtig?«
»Steht das in den Polizeiakten?«
Klein schüttelte den Kopf. »So weit sind unsere Computer nicht,
aber die Welt ist ein Dorf und ich weiß, was in meinem Revier vor sich geht.
Ich weiß auch, dass Sie in Tennweide herumlaufen und Fragen stellen. Ich warne
Sie, gehen Sie den Menschen hier nicht auf den Wecker. Diese Geschichte mit den
verschwundenen Mädchen hat schon genügend Unheil angerichtet. Die Leute mögen
es nicht, wenn sich Schnüffler hier herumtreiben, nur damit sie eine weitere
schaurige Story über unsere Gemeinde schreiben können. Die Leute hier wollen
endlich ihre Ruhe.«
Trevisan fuhr sich über das Kinn. »Ruhe werden sie aber erst
bekommen, wenn das Verbrechen aufgeklärt ist.«
»Also habe ich doch recht, Sie sind auch so ein Schreiberling.«
»Ich bin Beamter und kein Journalist und ich habe viel über die
Sache gelesen. Schließlich stand ja allerhand darüber in der Zeitung.«
»Dann wissen Sie sicherlich auch, dass eines der verschwundenen
Mädchen in der Nähe der dänischen Grenze aufgetaucht ist und die Spur eindeutig
ins Rockermilieu führt. Die Ermittlungen laufen noch, aber ich bin sicher, dass
in unserem Ort niemand mit der Sache etwas zu tun hat.«
»Auch nicht dieser Apothekersohn?«
Oberkommissar Klein sah auf und blickte über die Straße, wo
sich die Klosterapotheke befand, der Trevisan einen Besuch abstatten
wollte. »Sind Sie deswegen hier oder haben Sie eine Erkältung?«
»Kopfschmerzen«, antwortete Trevisan, dem die aufdringliche Art
des Oberkommissars immer unangenehmer wurde. »Ist sonst noch etwas?«
Der Polizist zeigte auf den Wagen. »Parkverbot!«
»Ich fahre weiter, keine Angst.«
»Ja, das sollten Sie tun, am besten gleich bis nach Wilhelmshaven«,
entgegnete Klein und wandte sich ab.
Trevisan wartete, bis der Streifenwagen losgefahren war, ehe er
sich selbst wieder hinters Steuer setzte und bis zur nächsten Seitenstraße
fuhr. Er parkte in der Jägerstraße und vergewisserte sich, dass dort nicht
ebenfalls ein Parkverbotsschild stand. Unbeirrt ging er den Weg zurück. Vor der Klosterapotheke blieb er kurz stehen und sah sich um, doch der
Streifenwagen war weit und breit nicht mehr zu sehen.
»Ein sonderbarer Kauz«, murmelte Trevisan, als er die Apotheke
betrat.
Thiele, der Apotheker, stand hinter der Ladentheke und
sortierte Waren in den Apothekerschrank. Weder Kunden noch Mitarbeiterinnen
waren zugegen. Trevisan grüßte und der Apotheker wandte sich um.
»Sie wissen noch, wer ich bin?«, fragte Trevisan.
Thiele verzog sein Gesicht und nickte kurz. »Ich sagte doch
schon …«
Trevisan griff in seine Jackentasche. »Ich hatte gehofft, wir
könnten es vermeiden, aber offenbar geht es nicht anders«, sagte er und reichte
dem Apotheker ein Kuvert.
»Was ist das?«
Trevisan wies auf den grauen Briefumschlag. »Eine richterliche
Vorladung für Ihren Sohn. Offenbar ist das der einzige Weg. Ihr Sohn wird in
Hannover im Beisein eines Richters zur Sache befragt werden …«
»Das geht nicht! Er ist krank … Er ist nicht bei Verstand …
Das ist doch unzulässig!«
»Sie können gerne mit Ihrem Rechtsanwalt darüber reden, aber
die Strafprozessordnung sieht nun mal eine solche Maßnahme vor. Und glauben Sie
mir, nötigenfalls können solche Verfügungen auch zwangsweise durchgesetzt
werden, zumindest die Untersuchung durch einen amtlich bestellten Gutachter.«
»Das ist doch reine Schikane«, empörte sich der Apotheker.
»Nein, das ist es nicht«, entgegnete Trevisan. »Ich kann nichts
für die Ermittlungsmethoden der damaligen Sonderkommission, aber ich glaube,
dass Ihr Sohn etwas weiß, das in diesem Fall wichtig sein könnte. Es geht
darum, ein Verbrechen
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