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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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nach Osten lenken, und die Männer auf der linken Seite des Wegs werden ihm folgen. Irgendwann am späten Abend müßten unsere Truppen sich südlich der Stadt befinden. Ich werde Boten ausschicken, um die Verbindung zwischen beiden Hälften herzustellen, damit wir uns wieder sammeln. Ist das verstanden?«
    Die Offiziere machten alle die Geste des Tlalqualiztli und gingen, um meine Befehle an die Männer weiterzugeben. In kurzer Zeit waren die Krieger beinahe wie durch Zauberei im Gebüsch und zwischen den Bäumen verschwunden. Die Kolonne hatte sich aufgelöst wie Morgennebel. Der Weg hinter mir war leer. Nur Ualiztli, Nocheztli, der Mexicatl Comitl und ich saßen noch immer deutlich sichtbar auf unseren Pferden. »Nocheztli«, sagte ich, »du übernimmst die Führung. Du reitest im Schritt weiter. Wir drei folgen dir erst, wenn du außer Sichtweite bist. Reite, bis du ein Zeichen des Feindes siehst. Selbst wenn die Spanier so weit vor der Stadt Posten aufgestellt oder Barrikaden errichtet haben und dich sehen, bevor du es verhindern kannst, werden sie nicht mit einem einzelnen Angreifer rechnen. Außerdem kann es gut sein, daß sie dich erkennen und daß dein Näherkommen sie verwirrt, weil du auf einem Pferd reitest wie ein Spanier. Ihr Zögern sollte dir die Möglichkeit geben, unbeschadet zu fliehen. Wie auch immer, falls du den Feind sichtest, seien es Truppen oder Wachposten, machst du geradewegs kehrt und erstattest mir Meldung.«
    Er fragte: »Und wenn ich überhaupt nichts sehe, Herr?«
    »Falls du zu lange ausbleibst und ich der Meinung bin, es sei Zeit, die Truppen zu teilen, werde ich laut den Eulenschrei ausstoßen. Wenn du ihn hörst und nicht tot oder in Gefangenschaft bist, galoppierst du zu uns zurück.«
    »Ja, Herr. Ich bin schon auf dem Weg.« Und er ritt davon. Sobald er unseren Blicken entschwunden war, setzten der Ticitl, Comitl und ich unsere Pferde in Bewegung. Die Sonne zog ungefähr in der gleichen langsamen Gangart über den Himmel, und wir drei verbrachten den langen, bangen Tag mit zusammenhanglosem Gerede. Es war später Nachmittag, als wir Nocheztli endlich zurückkommen sahen. Er hatte es keineswegs eilig, sondern sein Pferd ging im Trab, obwohl ich bezweifelte, daß das angenehm für sein Hinterteil war. »Was soll das?« fragte ich, sobald er in Hörweite kam. »Du hast überhaupt nichts zu melden?«
    »Ayya, doch, Herr, aber sehr eigenartige Nachrichten. Ich bin ungehindert den ganzen Weg bis zu den Sklavenvierteln am Stadtrand geritten. Dort entdeckte ich die Verteidigungswaffen, von denen ich Euch nach meinem letzten Besuch berichtet hatte – die riesigen Donnerrohre auf Rädern und um sie herum viele Soldaten. Aber die Donnerrohre sind immer noch nach innen, auf die Stadt gerichtet! Die Soldaten winkten mir nur beiläufig zu. Also gab ich ihnen mit Gesten zu verstehen, ich hätte das Pferd freilaufend und ungesattelt in der Umgebung entdeckt und suchte seinen Besitzer. Dann habe ich kehrtgemacht und bin zurückgeritten … ohne große Eile, denn ich habe keinen Eulenschrei gehört.«
    Der Cuáchic Comitl runzelte die Stirn und fragte: »Was haltet Ihr davon, Tenamáxtzin? Kann man dem Bericht dieses Mannes Glauben schenken? Vergeßt nicht, er war einmal mit dem Feind verbündet.«
    Nochéztli widersprach: »Ich küsse die Erde, daß es wahr ist!« Und er machte die Geste, so gut er es auf dem Pferderücken konnte.
    »Ich glaube dir«, sagte ich zu ihm und wandte mich dann an Comitl. »Nochéztli hat seine Treue bereits mehrere Male unter Beweis gestellt. Aber das ist eine wirklich eigenartige Sache. Möglicherweise sind der Pfeilritter Tapachini und seine Männer überhaupt nicht hierher gekommen und haben Compostela gewarnt. Doch ebensogut können die Spanier uns eine Falle stellen. Wenn es so ist, dann haben wir sie noch nicht erreicht. Gehen wir also weiterhin vor wie geplant. Ich und Ualiztli wenden uns jetzt nach Westen. Du reitest mit Nochéztli nach Osten. Die Männer zu Fuß teilen sich und folgen uns. Wir werden die Stadt in einem weiten Bogen umrunden und nach Einbruch der Dunkelheit im Süden wieder zusammentreffen.«
    Zu beiden Seiten des Wegs zog sich jetzt dichter Wald. Als der Ticitl und ich abbogen, ritten wir bald im zunehmenden Dämmerlicht. Ich hoffte, daß die Krieger, die in einer Entfernung von hundert Schritten folgten, uns immer noch sehen konnten. Aber ich machte mir Sorgen, wir könnten sie verlieren, wenn es wirklich dunkel wurde.
    Diese Sorge wurde

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