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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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genußvoll aus. Als Ualiztli sich so weit erholt hatte, daß er wieder sprechen konnte, obwohl ihm noch die Kraft fehlte, um sich aufzurichten, sagte er: »Würdet Ihr mir verraten, Tenamáxtzin, warum uns die Weißen haben ziehen lassen? Doch sicher nicht, weil wir einen ihrer schwarzen Sklaven in unserer Gewalt hatten? Ein Sklave jeder Hautfarbe ist für sie so entbehrlich wie Ungeziefer.«
    »Sie sind der Meinung, daß dieser Sklave das Geheimnis unermeßlicher Reichtümer kennt. Es ist dumm von ihnen, das zu glauben.« Ich lachte leise, als ich sein verblüfftes Gesicht sah. »Aber das werde ich dir alles ein andermal erklären. Im Augenblick denke ich darüber nach, wie ich den Cúachic Nochéztli und den Rest unserer Truppen finden kann.«
    Ualiztli setzte sich auf und sah mich besorgt an. »Ihr habt Euch offenbar noch nicht von dem Schlag auf den Kopf erholt. Ihr seid immer noch verwirrt. Wenn die Donnerstöcke unsere Männer nicht getötet haben, dann sind sie inzwischen in alle Winde zerstreut.«
    »Sie wurden nicht getötet, und sie haben sich nicht in alle Winde zerstreut. Und ich bin auch nicht wirr im Kopf. Bitte hör auf, wie ein Arzt zu reden, und laß mich nachdenken.«
    Ich hob langsam den Kopf. Tonatiu stand bereits tief am Himmel. Es würde bald dunkel werden. »Wir sind wieder nördlich von Compostela. Also können wir nicht allzuweit von dem Platz entfernt sein, wo sie den Hinterhalt gelegt hatten. Ob Nochéztli die Krieger hier in der Nähe zusammengezogen hat? Ob er sie an einen Punkt südlich der Stadt geführt hat, wie es ursprünglich geplant war? Ist er vielleicht sogar mit ihnen auf dem Rückweg nach Aztlan? Was wird er getan haben, nachdem er nicht wußte, was aus mir geworden war?« Der Ticitl enthielt sich rücksichtsvoll jeder Äußerung und ließ mich laut denken.
    »Wir können nicht einfach herumlaufen und sie suchen«, fuhr ich fort. »Nochéztli muß uns finden. Mir fällt nichts anderes ein, als ein Zeichen zu geben und zu hoffen, daß er uns auf diese Weise entdeckt.« Der Ticitl konnte nicht länger schweigen. »Hoffen wir nur, daß wir so nicht die spanischen Truppen anlocken, die mit Sicherheit sehr bald nach uns suchen werden.«
    »Es wäre das Letzte, womit sie rechnen würden«, sagte ich, »daß wir bewußt auf unser Versteck aufmerksam machen. Aber wenn unsere Männer tatsächlich irgendwo in der Nähe sind, müssen sie verzweifelt auf Nachrichten von ihrem Anführer warten. Alles Ungewöhnliche müßte zumindest einem Späher auffallen.« Ich nickte zufrieden, denn ich hatte eine glänzende Idee. »Ein großes Feuer wird das schaffen. Der Erdgöttin Coatlicue sei gedankt, hier stehen viele Kiefern zwischen den anderen Bäumen, und der Boden ist mit einer dicken Schicht trockener Nadeln bedeckt.«
    »Und jetzt ruft Ihr den Gott Tlaloc zu Hilfe, damit er die Nadeln mit einem seiner gegabelten Blitze in Flammen setzt«, sagte Ualiztli trocken. »Ich sehe hier nirgends Glut, mit der man ein Feuer entfachen könnte. In meinem Beutel hatte ich leicht entzündliche Flüssigkeiten. Aber den hat man mir abgenommen. Wir werden die ganze Nacht brauchen, um geeignetes Holz zu finden und einen Feuerbohrer zu machen.«
    »Das brauchen wir alles nicht.« Ich lachte leise. »Tonatiu wird uns helfen, bevor er untergeht.« Ich tastete die Innenseite meiner gesteppten Rüstung ab, die ich immer noch trug. »Mir hat man die Waffen ebenfalls abgenommen, aber das hier haben sie mir gelassen. Offenbar besitzt es für die Spanier keinen Wert.« Damit zog ich die Linse hervor, den Kristall, den Alonso de Molino mir vor langer Zeit geschenkt hatte.
    »Ich würde das Ding auch für wertlos halten«, brummte Ualiztli. »Von welchem Nutzen kann so ein kleines Stückchen Quarz schon sein?«
    Ich erwiderte nur: »Sieh es dir an.« Ich stand auf und ging zu einer Stelle, wo sich ein Sonnenstrahl durch die Bäume verirrte und auf die braunen, trockenen Nadeln fiel. Ualiztli bekam große Augen, als kurz darauf ein Rauchwölkchen aufstieg und dann eine kleine Flamme züngelte. Nach einem Augenblick mußte ich zurückweichen, denn schon loderte ein beachtliches Feuer. »Wie habt Ihr das gemacht?« fragte der Ticitl staunend. »Woher habt Ihr dieses Zauberding?«
    »Es ist ein Geschenk vom Vater an den Sohn«, sagte ich und lächelte bei der Erinnerung. »Ich glaube, mit Hilfe Tonatius und dem Segen eines Vaters in Tonatiucan kann ich ungefähr alles …« Ich räusperte mich: »Vom Singen vermutlich

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