Der Sohn des Azteken
›Ungeheuer‹, ›Mißgeburt‹ und ›Scheußlichkeit‹.
Im allgemeinen Tumult hatte niemand auf das erneute Rascheln im Gebüsch geachtet. Doch jetzt hörten wir Adlerschreie, Jaguargeknurre, Eulenrufe und Papageiengekrächze, was sich alles zu einem vielstimmigen, wilden Schlachtruf vereinte. Die Männer meiner Truppe brachen lärmend durch die Büsche, stürzten sich auf Yeyacs Krieger und hackten, stachen und schlugen mit Maquáhuime und Speeren und Spießen auf sie ein. Bevor ich mich ebenfalls in das Getümmel stürzte, wies ich auf Pakápetis Überreste und befahl dem Ticitl: »Kümmere dich um sie, Ualiztli!«
Der Kampf wurde von Schatten geführt, nicht von wirklichen Gestalten. Vor der roten Flammenwand, die den Wald fraß, bewegten sich die gespenstischen schwarzen Umrisse der Krieger. Es war schwer, Freund von Feind zu unterscheiden. Deshalb warfen wir bald die schwereren Waffen beiseite, damit wir nicht unsere Kameraden in Stücke hieben oder aufspießten. Alle griffen zu den Messern – die meisten waren aus Obsidian, einige, wie das meine, aus Stahl – und kämpften Mann gegen Mann, wobei die Gegner nicht selten auf der Erde miteinander rangen. Ich tötete den Pfeilritter Papachini eigenhändig. Die Schlacht dauerte nicht lange, denn meine Männer waren weit in der Überzahl. Als Yeyacs letzte Krieger fielen, begann auch das Feuer zu erlöschen, als sei sein Licht nicht länger vonnöten, und uns umgab die Dunkelheit der einbrechenden Nacht.
Zweifellos war es ein von den Göttern herbeigeführter Zufall, daß ich in diesem Augenblick neben der falschen Schlange G’nda Ké stand. Sie war unverletzt und vermutlich nur deshalb dem Gemetzel entgangen, weil sie Frauenkleider trug.
»Ich hätte es wissen müssen«, sagte ich keuchend. »Selbst im hitzigsten Gefecht wird dir kein Haar gekrümmt. Ich bin froh darüber. Wie dein Freund Yeyac vorhin gesagt hat, werde ich ungestört sein und viel Zeit haben, um dich langsam zu töten.«
»Was redest du da!« sagte sie vorwurfsvoll und mit einer Gemütsruhe, die mich beinahe wieder zur Raserei trieb. »G’nda Ké hat Yeyac und seine Männer in die Falle gelockt. Ist das der Dank?«
»Du verlogene Hexel« zischte ich und befahl zwei Kriegern in meiner Nähe: »Ergreift dieses Weib und nehmt sie in eure Mitte, wenn wir abziehen. Sollte sie fliehen, ist es um euch geschehen.«
Im nächsten Augenblick fiel der Cuáchic Nochéztli vor mir auf die Knie und rief: »Ich wußte, die Weißen können einen so kühnen Krieger wie meinen Herrn Tenamáxtzin nicht lange gefangenhalten!«
»Und du hast in der Zwischenzeit bewiesen, daß du ein mehr als geeigneter Ersatz bist. Ab heute abend bist du stellvertretender Befehlshaber. Ich werde dafür sorgen, daß dich der Orden der Adlerritter in seine Reihen aufnimmt. Dir sind meine Glückwünsche, meine Dankbarkeit und meine Wertschätzung sicher, Ritter Nochéztli.«
»Ihr seid sehr gnädig, Herr, und ich fühle mich überaus geehrt. Aber wir sollten uns beeilen, damit wir schnell von hier wegkommen. Wenn die Spanier nicht schon auf dem Weg sind, dann könnte es sein, daß zumindest die Geschosse ihrer Donnerrohre bis hierher fliegen.«
»Du hast recht. Wenn unsere Männer alle Waffen eingesammelt haben, sollen sie sich formieren, und du beginnst mit dem Rückzug nach Norden. Ich werde zu euch stoßen, sobald ich eine letzte Angelegenheit in Ordnung gebracht habe.«
Ich suchte in der Menge nach Ualiztli, und als ich ihn gefunden hatte, fragte ich ihn: »Was ist mit der tapferen Pakápeti? Sie hat uns beiden das Leben gerettet, Ticitl. Konntest du vor ihrem Ende noch etwas für sie tun?«
»Nichts. Sie war tot und hatte ihren Frieden gefunden, bevor sie auf der Erde lag.«
»Aber dieses … hm … was immer es war, was sie in sich trug. Was …?«
»Fragt nicht, Herr. Es ist mit ihr gestorben.« Er wies mit einer Geste dorthin, wo die Bäume gestanden hatten und jetzt nur noch glühende Stümpfe aus der Asche aufragten. »Ich habe alles in die Hände der gütigen Herdgöttin Chántico gelegt. Feuer reinigt die Erde von vielen Dingen.«
Nochéztli hatte am Ort des Hinterhaltes nicht nur die vielen Arkebusen der Spanier an sich genommen, sondern auch das Pferd des getöteten Kriegers Comitl. Deshalb waren wir beide beritten, als wir unsere Männer in die Nacht führten. Allerdings wünschte ich bald inbrünstig, ich hätte einen Sattel zwischen mir und dem Pferd.
Ich lobte den neu ernannten Ritter noch einmal
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