Der Sohn des Azteken
für die große Entschlußkraft, die er während meiner Abwesenheit bewiesen hatte, fügte aber hinzu: »Um die von dir erbeuteten Waffen benutzen zu können, müssen wir Pulver mischen und irgendwie Blei ausfindig machen.«
»Herr«, sagte er beinahe entschuldigend, »was das erste Problem angeht, so verstehe ich nichts von der Herstellung von Pulver. Doch weil ich keine anders lautenden Befehle hatte, beschloß ich, die Zeit des Wartens zu nutzen. Deshalb sind wir im Besitz von Blei. Wir besitzen sogar einen beachtlichen Vorrat.«
»Ich staune über dich, Ritter Nochéztli. Wie ist dir das gelungen?«
»Einer unserer älteren Mexica-Krieger hatte mir gesagt, er sei der Sohn eines Silberschmieds. Deshalb wußte er, daß man in den Minen, aus denen das kostbarere Silber stammt, oft Blei findet. Und Blei ist auch für den Vorgang vonnöten, bei dem das Silber gefeint wird.«
»Bei Huitztli! Du bist tatsächlich in den Bergwerken und Schmelzen der Spanier gewesen?«
»Vergeßt nicht, Herr, ich war einmal Euer Quimichi bei den Weißen. Ich und andere Krieger unserer Truppe haben uns bis auf die Schamtücher und Sandalen ausgezogen, die Gesichter und Körper mit Erde eingerieben und sind einzeln an den Wachposten vorbei zu den arbeitenden Sklaven gegangen. Das war nicht schwierig. Die Wachen rechnen nicht damit, daß sich jemand in die Sklaverei schleicht. Das Herauskommen war sehr viel schwieriger, besonders, da Blei so schwer ist. Aber dank meiner Erfahrung als Quimichi ist uns auch das gelungen. Mindestens zweimal zwanzig der Männer hinter uns tragen jeweils einen Bleibarren in ihren Vorratsbeuteln. Dieser Mexicatl, der Sohn des Silberschmieds, sagt, er kann das Blei leicht schmelzen und in Formen aus Holz und feuchtem Sand zu Kugeln gießen.«
»Yyo ouiyo ayyol« rief ich begeistert. »Unsere Waffen kommen denen der Weißen sehr viel näher, als ich zu hoffen wagte. Das Herstellen des Pulvers ist ein sehr viel geringeres Problem als das, welches du bereits gelöst hast. Hör zu, präge es dir gut ein und gib es an jeden anderen Offizier weiter, dem du vertraust. Unser Volk hielt das, was die Spanier Pulver nennen, anfangs wirklich für Donner und Blitz, die eingefangen und eingeschlossen worden waren, um nach Belieben losgelassen zu werden. Die Spanier wollen immer noch nicht, daß jemand unseres Volkes das Geheimnis der Pulverherstellung erfährt. Ich habe lange gebraucht, um es zu entdecken, und es war sehr mühsam. Aber der Vorgang ist ganz einfach.« Ich erläuterte ihm die Sache mit den drei Bestandteilen, die fein gemahlen werden mußten, und das Verhältnis, in dem man sie mischte.
Als wir meiner Meinung nach weit genug von Compostela entfernt waren, wählte ich zweimal zwanzig meiner Männer mit starken Muskeln und langen Beinen aus und sagte zu ihnen: »Bereitet euch darauf vor, uns morgen früh, wenn ihr geschlafen habt und ausgeruht seid, zu verlassen und so schnell wie möglich eine lange Strecke zurückzulegen. Laßt Waffen und Rüstungen bei euren Kameraden zurück und nehmt nur eure Mäntel mit.« Den ersten zwanzig befahl ich, zum Vulkan Tzebóruko zu gehen, den nur wenige von uns jemals gesehen hatten. Doch wegen seiner häufigen Ausbrüche und der Zerstörungen, die er in den umliegenden Dörfern anrichtete, war der Vulkan allgemein bekannt. Ich war sicher, an den Berghängen würden sich dicke Krusten von Schwefel finden. Der Vulkan liegt in der Gegend von Nauyar Ixú in dem Land, das jetzt Neugalicien hieß. Das bedeutete, die zwanzig Männer mußten das von den Spaniern besetzte Gebiet durchqueren.
»Ihr lauft in Richtung Westen bis zur Küste des Meeres. Dort laßt ihr euch von Männern mit Booten nach Süden zu dem Vulkan fahren. Die Männer sollen euch und die mit dem gelben Mineral gefüllten Mäntel wieder nach Norden bringen. Es ist unwahrscheinlich, daß euch auf dem Meer feindliche Schiffe begegnen.« Zu den anderen zwanzig Männern sagte ich: »Ihr geht nach Aztlan. Unsere Fischer gewinnen Salz, um einen Teil ihres Fangs haltbar zu machen. Deshalb werden sie mit Sicherheit das bittere Salz kennen, das man den ersten Ertrag nennt. Damit füllt ihr eure Mäntel.« An alle gewandt fügte ich hinzu: »Ihr stoßt in Chicomóztotl, ›dem Ort der sieben Höhlen‹, wieder zum Heer. Ihr wißt, wo das ist … in den Bergen östlich von Aztlan, im Gebiet des Chichiméca-Stammes, der Huichol heißt. Dort wird das Heer auf euch warten. Ich ermahne euch, kommt mit eurer Last dorthin, so
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