Der Sohn des Azteken
Yaki kaum ein Abend ohne eine große oder eine kleinere Zeremonie, je nachdem, wie bedeutend dieser Mensch zu Lebzeiten gewesen war. Die einzigen von den Yaki anerkannten Götter sind die beiden ältesten Ahnen, die kaum mit wirklichen Göttern, sondern eher mit dem Ersten Menschenpaar vergleichbar sind, auf das nach Überzeugung der Azteca unser Volk zurückgeht. Wir halten es nicht für nötig, dieses Paar mit besonderen Festen oder Ritualen zu ehren. Die Yaki sprechen von dem ›Alten Mann‹ und von ›Unserer Mutter‹ und verehren beide sehr. Die Yaki glauben auch, daß ihre angesehenen Toten glücklich und ewig in einem Jenseits leben, das unserem Tonatíucan oder Tlálocan oder dem Himmel der Christen gleicht. Sie nennen es das ›Land unter der Morgendämmerung‹ und behaupten unsinnigerweise, es befinde sich nicht in unermeßlicher Ferne, sondern direkt im Osten auf einem spitzen Berggipfel, der Takalá’im heißt und genau in der Mitte des Yaki-Landes aufragt. Wohin ihre Toten gelangen, die sich kein Ansehen zu Lebzeiten erworben haben, wissen die Yaki nicht. Es scheint ihnen auch gleichgültig zu sein, denn einen Ort wie unser Mictlan oder die christliche Hölle können sie sich nicht vorstellen.
Sie glauben jedoch, daß sich die Lebenden ständig vor einer großen Schar unsichtbarer niederer böser Götter oder Geister schützen müssen, die sie Chapáyekám nennen. Sie sind die lästigen Ursachen von Krankheiten, Unfällen, Dürren, Überschwemmungen, Niederlagen im Kampf und jedem anderen Mißgeschick, das die Yaki befällt.
Deshalb achtet der Bewahrer der Religion darauf, daß die Bewohner seines Dorfes die Ahnen bis zurück zu dem Alten Mann und Unserer Mutter angemessen verehren, während der Wächter der Sitten die Aufgabe hat, die Chapáyekám abzuwehren. Er schnitzt und bemalt die Holzmasken, die sie vertreiben sollen, und er ist ständig darum bemüht, sich abschreckendere und furchterregende Fratzen auszudenken.
Man sieht demnach, daß der Meister der Tänze am meisten von allen fünf Yo’otui zu tun hat, denn die gemeinschaftlichen Tänze sind die Grundlage für die Angelegenheiten der anderen vier. Die Arbeit im Dorf wird nicht richtig erledigt, die Kämpfe werden nicht gewonnen, die Ahnen werden nicht angemessen geehrt, und die bösen Geister werden nicht hinreichend besänftigt oder vertrieben, wenn die Tänze nicht stattfinden – und dabei muß alles seine Richtigkeit haben. Der Meister der Tänze ist bemerkenswerterweise zu alt zum Tanzen. Ich fand es irgendwie komisch, daß die anderen Männer, die tagsüber ihren blutigen Beschäftigungen nachgingen, Abend für Abend feierlich und mit starren, manchmal sogar gezierten Bewegungen um aufwendig errichtete Feuer tanzten. Ich muß wohl kaum erwähnen, daß die Frauen niemals daran teilnahmen. Der Meister der Tänze verteilte genug Peyotl an die Tänzer, daß ihre Kräfte nicht erlahmten, aber nicht so viel, daß sie berauscht wurden oder in Raserei verfielen und die genau vorgeschriebenen Schritte und Kombinationen verpatzten, an denen seit der Alten Zeit nichts verändert worden war. Der Meister der Tänze überwachte die Tänzer mit Adlerblicken. Wenn ein Mann einen falschen Schritt machte oder vermessen genug war, einen neuen einzuführen, bekam er einen Verweis und mußte den Kreis verlassen. Getanzt wurde nach Musik, wie sie es nannten, die von Männern hervorgebracht wurde, die entweder behindert waren oder zu alt zum Tanzen. Doch da ihnen die Vielfalt der Instrumente fehlte, die von zivilisierten Völkern erfunden wurden, brachten sie für meine Ohren nur Lärm und ein schreckliches Getöse hervor. Sie bliesen Rohrpfeifen und wassergefüllte Kürbisse, rieben gekerbte Schilfrohre aneinander, schüttelten Holzrasseln und schlugen beidseitig bespannte Trommeln. Und obwohl kein Mangel an Tierhäuten herrschte, bestanden die Trommelfelle aus Menschenhaut. Die Tänzer vergrößerten den Lärm durch Bänder an ihren Fußgelenken, an denen Kokons hingen, in denen tote Insekten bei jedem Schritt klapperten.
Bei den Tänzen zu Ehren des Alten Mannes und Unserer Mutter oder der vor nicht allzu langer Zeit verstorbenen Ahnen trugen die Männer einen fächerartigen Kopfschmuck, der jedoch aus starrem gespaltenen Rohr oder Binsen anstatt aus Federn gefertigt war. Bei den Tänzen, mit denen die bösen Geister abgeschreckt werden sollten, trug jeder Mann eine der furchterregenden, mit Farbe beschmierten Masken, die sich alle voneinander
Weitere Kostenlose Bücher