Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
Yaki nach Süden zu unserem Sammelplatz in Chicomóztotl zu führen, und den zweiten zurücklassen, damit er die Krieger des Wüstenvolks begleitete. Wenn alle Yoem’sontáom in Chicomóztotl eingetroffen waren, würde ich sie mit Obsidianwaffen ausstatten, die ihren eigenen aus Feuerstein weit überlegen sein würden. Die Ältesten nahmen mein Angebot an, lehnten die versprochenen Waffen jedoch empört ab. Sie erklärten, was gut genug für den Alten Mann und für alle ihre Vorfahren seit jeher gewesen war, sei auch gut genug für einen Krieg in neuer Zeit. Klugerweise widersprach ich ihnen nicht.
    Ich war froh, daß wir uns geeinigt hatten, denn danach konnte ich mich mit den Yaki kaum noch verständigen. G’nda Ké behauptete, es gehe ihr schlechter als zuvor und selbst die Anstrengung des Übersetzens sei zu groß. Sie sah tatsächlich krank aus. Sie war beinahe so blaß geworden wie eine weiße Frau, so daß die Sommersprossen überdeutlich hervortraten. Als ihr selbst der Älteste, der die Arbeiten überwachte, und die Frauen, die ihr die schwersten Aufgaben zugeteilt hatten, eine der Hütten überließen, damit sie dort ruhen konnte, waren sie offenbar der Ansicht, G’nda Ké müsse sterben, da sie kein Kind erwartete.
    Doch ich kannte G’nda Ké besser und verwarf diesen Gedanken. Ich war sicher, daß es sich bei ihrer Hinfälligkeit nur um eine List handelte und daß sie auf diese Art ihren Ärger darüber zum Ausdruck bringen wollte, daß ihr Volk mich freundlicher aufgenommen hatte als sie.
     
     

24
     
    Während wir auf das Eintreffen der Männer der anderen Yaki-Stämme warteten, nutzten Machíhuiz, Acocótli und ich die Zeit, um den Mayo-Kriegern von Bakúm eine Art Ausbildung zu geben. Das heißt, wir griffen sie mit unseren Schwertern und Spießen, die Obsidianspitzen hatten, an, damit sie lernten, solche Attacken mit ihren primitiven Waffen abzuwehren. Ich rechnete nicht damit, daß die Yaki jemals gegen die Männer meines Heeres kämpfen würden. Doch ich war ziemlich sicher, wenn mein Heer einen großen Angriff gegen die Spanier führte, würden die Weißen ihre Reihen durch viele ihrer Verbündeten verstärken, etwa der Texcaltéca, welche die spanischen Soldaten bei der Einnahme von Tenochtitlan unterstützt hatten. Diese Verbündeten würden keine Arkebusen tragen, sondern Maquáhuime, Speere, Spieße und Pfeile, mit Klingen oder Spitzen aus Obsidian.
    Es war langwierig und mühsam, die Yoem’sontáom ohne jemanden auszubilden, der meine Befehle, Anweisungen und Ratschläge übersetzte. Doch Krieger aller Völker, vermutlich sogar die der Weißen verstehen instinktiv die Bewegungen und Gesten der anderen. Deshalb fiel es den Mayo nicht allzu schwer, die Kriegskunst der Azteca mit ihren Stößen und Hieben, Finten und Rückzügen zu erlernen. Sie lernten schließlich sogar so gut, daß wir drei immer wieder blaue Flecken von ihren schweren Holzkeulen davontrugen und sie uns mit ihren Dreizackspeeren mit den Feuersteinspitzen Stiche und Kratzer beibrachten. Natürlich standen wir ihnen in nichts nach. Deshalb bat ich den Tícitl Ualíztli, bei unseren Übungen immer anwesend zu sein, damit er notfalls seine Künste anwendete.
    Währenddessen verschwendete ich keinen Gedanken an G’nda Ké, bis eines Tages eine Frau zu mir kam und mich schüchtern am Arm zupfte.
    Sie führte mich und Ualíztli zu der kleinen Schilfhütte, die man G’nda Ké überlassen hatte. Ich trat als erster ein. Doch bei dem Anblick, der sich mir bot, wich ich sofort wieder zurück und bedeutete dem Ticitl, er möge vorausgehen. G’nda Kés Krankheit war eindeutig nicht vorgetäuscht. Sie schien dem Tode so nahe, wie es die Dorfbewohner vorausgesehen hatten.
    Sie lag nackt und schweißbedeckt auf einem Binsenlager. Ihr Körper war seltsam aufgebläht, aber nicht nur an den Stellen, wo gut genährte Frauen oft dick sind, sondern überall – Nase, Lippen, Finger, Zehen. Selbst ihre Augenlider waren so geschwollen, daß sie die Augen praktisch verschlossen. So wie sie es mir einmal gesagt hatte, war G’nda Ké überall mit Sommersprossen bedeckt. Auf dem geblähten Körper waren diese Flecken jetzt so groß und deutlich sichtbar, daß die Haut wie das Fell eines Jaguars wirkte. Bei meinem ersten kurzen Blick war mir aufgefallen, daß der Mayo-Ticitl neben ihr hockte. Ich hatte das Gesicht des Mannes noch nie gesehen, doch selbst die grimmige Maske, die er trug, schien einen verwirrten und ratlosen Ausdruck angenommen

Weitere Kostenlose Bücher