Der Sohn des Azteken
das größte Heer, das jemals in der EINEN WELT zusammengezogen worden ist. Die Männer sind schon ungeduldig, weil sie marschieren wollen, und ich konnte sie kaum zurückhalten. Aber ich habe auf Eure Befehle gewartet.«
»Das hast du gut gemacht, mein treuer Ritter!« Dieser Empfang war besser, als ich hätte erwarten können. »Ich bin gerade durch das spanische Gebiet gekommen. Dort hat niemand eine Ahnung von dem Sturm, der sich hier zusammenbraut.«
»Das ist gut. Aber bei unseren Völkern muß die Nachricht von Mund zu Mund gegangen sein. Wir haben inzwischen weit mehr Krieger als die vielen, die wir in den umliegenden Gebieten angeworben haben, und die vielen anderen, die in Wellen aus dem Norden kamen und sagten, Ihr hättet sie geschickt. So sind zum Beispiel auch die Kriegerinnen aus Michihuácan hier. Sie erklären, sie hätten die läppischen Überfälle auf spanische Landgüter satt. Sie wollen dabeisein, wenn unser Heer marschiert. Außerdem haben sich uns erstaunlich viele Sklaven angeschlossen, denen die Flucht aus Minen und Obrajes und von Pflanzungen gelungen ist und die den Weg hierher gefunden haben. Es sind Indios, Moros und Mischlinge. Sie warten noch ungeduldiger als wir anderen darauf, gegen ihre Herren zu kämpfen, um sie für immer zu vertreiben. Aber ich mußte sie alle erst einmal ausbilden lassen, weil kaum einer von ihnen auch nur ein einziges Mal eine Waffe in der Hand gehalten hatte.«
»Jeder Mann zählt«, sagte ich zufrieden, »und jede Frau. Kannst du mir sagen, wie viele Kämpfer wir insgesamt haben?«
»Soweit ich schätzen kann, sind es hundert Hundertschaften. Wirklich ein gewaltiges Heer!« Ich nickte. »Die sieben Höhlen waren schnell überfüllt. Die Krieger lagern inzwischen weit verstreut überall in den Bergen. Da sie so vielen unterschiedlichen Völkern und vielleicht hundert verschiedenen Stämmen angehören, habe ich es für das Beste gehalten, ihnen je nach Herkunft getrennte Lagerplätze zuzuweisen. Ihr wißt zweifellos, daß viele von ihnen sich seit uralter Zeit feindlich gesonnen sind. Ich wollte nicht, daß hier ein Bruderkrieg ausbricht.«
»Das war sehr klug, Ritter Nochéztli.«
»Aber die Unterschiedlichkeit unserer Truppen macht es sehr schwierig, sie zu führen. Ich habe jedem meiner besten Ritter und Unteroffiziere die Verantwortung für eine Gruppe Krieger übertragen. Befehle, Anweisungen und Verweise, was auch immer einer Entscheidung bedarf, können allerdings nur den höchsten Stammeskriegern erteilt werden, die Náhuatl verstehen. Sie wiederum müssen es in ihrer Sprache an ihre Männer weitergeben. Danach muß der nächste Stamm diese Dinge erfahren, der vielleicht einen anderen Dialekt derselben Sprache spricht, dem man sie aber zumindest verständlich machen kann. Und dieser Stamm gibt die Befehle irgendwie an einen anderen weiter. Wahrscheinlich verbringt bei all den Hundertschaften ein Mann einen Großteil seiner Zeit damit, als Dolmetscher zu fungieren. Und natürlich verändern sich die Befehle auf dem langen Weg. Das hat bereits zu unglaublichen Mißverständnissen geführt. Noch ist es nicht geschehen, aber eines Tages, wenn ich eine Abteilung antreten lasse und den Männern in der ersten Reihe befehle: ›An die Waffen‹, und der Befehl wird weitergegeben, dann bekommen die Männer in der letzten Reihe zu hören: ›Legt euch schlafen.‹. Und mit den Yaki, die Ihr geschickt habt, kann sich überhaupt niemand verständigen. Selbst wenn ich ihnen befehlen sollte, schlafen zu gehen, würden sie es nicht verstehen.«
Ich mußte angesichts von Nochéztlis verzweifeltem Ausbruch ein Lächeln unterdrücken. Aber ich war stolz und voll Bewunderung dafür, wie er das riesige Heer unter so schwierigen Umständen geführt hatte, und das sagte ich ihm.
»Bis jetzt«, erwiderte er, »habe ich verhindert, daß die Männer allzu unruhig werden und Streitigkeiten untereinander beginnen, indem ich Befehle gebe, die sogar den Yaki durch Gesten und bildhaftes Veranschaulichen anstelle von Worten verständlich zu machen sind. Dadurch waren sie alle mit irgendwelchen Arbeiten beschäftigt. Zum Beispiel habe ich Einheiten für die Jagd, das Fischen und das Sammeln von Nahrung zusammengestellt, andere zum Brennen von Holzkohle, dem Mischen des Pulvers, dem Gießen von Bleikugeln und so weiter. Die Läufer, die Ihr zum Tzebóruko und nach Aztlan geschickt hattet, sind mit großen Mengen des gelben Schwefels und des bitteren Salpeters zurückgekommen.
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