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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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zischen sie wie Gänse.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Ich habe gehört, daß ihre Religion den Spaniern verbietet, Kinder mit Gehirnschäden zu töten. Vielleicht sind es zwei Schwachsinnige, die erwachsen geworden sind, ohne genau zu wissen, wie ihnen geschieht.«
    »Wenn es so ist, werden wir sie lieber töten, als sie durchzufüttern. Ich will sie mir später ansehen.« In diesem Augenblick knurrte mir der Magen. »Ach, da wir gerade davon reden … kann ich etwas zu essen haben? … ganz gleich, welche Maden und Dornen es heute geben mag.« Nochéztli lachte. »Wir wären so dumm wie die Weißen, wenn wir unseren Befehlshaber hungern lassen und auf diese Weise schwächen würden. Ich habe ein paar geräucherte Hirschkeulen beiseite gelegt.«
    »Ich danke dir. Und während ich mir das Fleisch schmecken lasse, schickst du den Offizier zu mir, dem du das Kommando über die Purémpe-Kriegerinnen übertragen hast.«
    »Sie haben einen eigenen …« Nochéztli wirkte sichtlich verlegen. Er räusperte sich und sagte: »Es ist nach wie vor eine Frau. Sie hat es abgelehnt, sich von einem Mann Befehle geben zu lassen.«
    Ich hätte es wissen müssen. Das mußte die Frau mit dem Kojotengesicht und dem unpassenden Namen Schmetterling sein. Gut, daß ich mich auf das Gespräch vorbereiten konnte. Um zu verhindern, daß sie erneut versuchen würde, mich einzuschüchtern, beglückwünschte ich sie dafür, daß sie noch am Leben war. Ich gratulierte ihr auch zu den vielen erfolgreichen Überfällen auf die Weißen in Neugalicien und bedankte mich dafür, daß sie auf meinen Wunsch die Gemeinden von Utopía verschont hatte. Schmetterling nahm das große Lob stolz und schweigend entgegen.
    Sie wirkte noch erfreuter, als ich sagte: »Ich will deine Abteilung tapferer Frauen mit einer besonderen Waffe ausrüsten. Es ist eine Waffe, wie die anderen Krieger sie nicht haben. Sie wird ohnehin am besten von Frauen hergestellt. Ihre Finger sind zarter und geschickter als die der Männer, und sie können damit genauer arbeiten.«
    »Gebt uns nur Eure Befehle, Tenamáxtzin.«
    »Die Waffe ist meine Erfindung, obwohl die Spanier etwas Ähnliches haben, was sie eine Granate nennen.« Ich erklärte, wie man den Ton fest um das Pulver drückt, ein dünnes Poquietl als Docht hineinsteckt und den Ball in der Sonne trocknen läßt, bis er hart ist. »Wenn wir dann in die Schlacht ziehen, mein tapferer Schmetterling, soll jede deiner Frauen ein Poquietl rauchen und mehrere dieser Granaten bei sich tragen. Wann immer sich eine Gelegenheit bietet, zünden sie den Docht einer Granate an und werfen sie auf den Feind – oder noch besser in seine Häuser, Wachstuben und Festungen. Du wirst sehen, daß diese kleinen Tonkugeln erstaunlichen Schaden anrichten.«
    »Das klingt wunderbar, Herr! Wir werden uns sofort an die Arbeit machen.«
    Nachdem ich das Fleisch von den Hirschknochen genagt, ein wenig Octli getrunken und ein Poquietl geraucht hatte, befahl ich, die beiden sonderbaren weißen Männer zu holen.
    Es stellte sich heraus, daß es sich weder um Spanier noch um Abtrünnige handelte, obwohl ich in meiner Verwirrung einige Zeit brauchte, um dahinterzukommen. Der eine Mann schien älter als ich zu sein, der andere etwas jünger. Beide waren so weiß und behaart wie Spanier, doch wie die anderen Sklaven im Lager gingen sie barfuß und trugen zerrissene Kleidung. Offensichtlich hatte man ihnen irgendwie klargemacht, daß ich der Oberbefehlshaber aller hier versammelten Krieger war. Deshalb näherten sie sich mir ehrerbietig. Wie Nochéztli gesagt hatte, sprachen sie sehr schlecht spanisch, aber irgendwie konnten wir uns verständigen. Sie verwendeten in unserem Gespräch allerdings immer wieder Worte, von denen ich nur hoffen kann, sie annähernd richtig wiederzugeben, denn sie klangen in der Tat wie Gänsegeschnatter.
    Ich stellte mich auf spanisch in so einfachen Worten vor, daß selbst sie es verstehen mußten. »Ihr Spanier nennt mich Juan Británico. Was …?«
    Der ältere Mann unterbrach mich: »John, der Brite?« Beide starrten mich mit weit aufgerissenen Augen an und redeten aufgeregt miteinander. Ich verstand nur, daß sie ständig das Wort ›Brite‹ wiederholten. »Bitte«, sagte ich, »sprecht spanisch, wenn ihr könnt.« Das taten sie danach auch die meiste Zeit. Doch in meiner Schilderung unserer Unterhaltung klingt es, als hätten sie Spanisch sehr viel fließender gesprochen, als es tatsächlich der Fall war. Und ich versuche

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