Der Sohn des Azteken
hatten. Sie waren stolz auf ihr Land und bewiesen das durch ihre Tapferkeit auf dem Schlachtfeld.«
Erasmo erwiderte mit einem Schulterzucken: »Ich habe hier alles, was je ein Ritter hatte, und ich habe es gewonnen, ohne zu kämpfen und zu töten!«
»Du hast es nicht gewonnen!« erwiderte ich heftig. »Es ist dir gegeben worden.«
Er zuckte wieder die Schultern. »Aber ich arbeite schwer, um dessen würdig zu sein und es zu behalten. Ich möchte dem guten Pater Vasco meine Dankbarkeit zeigen.«
»Der Pater ist gut und freundlich, das stimmt. Aber begreifst du nicht, Cuati Erasmo? Er erniedrigt deine Männlichkeit genauso wie ein grausamer Spanier, der die Peitsche schwingt. Er behandelt euch alle wie gezähmte wilde Tiere … oder sabbernde Xolopitlin … wie kleine Kinder.«
Offenbar war es für Erasmo der Tag, um mit den Schultern zu zucken. »Selbst der männlichste Mann kann es schätzen, mit rücksichtsvoller Fürsorglichkeit behandelt zu werden.« Er schniefte, als sei er den Tränen nahe. »So wie eine gute Frau ihren guten Mann behandelt.« Ich sah ihn verständnislos an. »Was hat eine Frau damit zu tun?«
»Sprich nicht weiter, Cuati Juan. Komm, laß uns einen Spaziergang machen. Ich möchte mit dir noch über etwas anderes reden.«
Ich ging verwundert mit ihm. In einiger Entfernung von seinem Haus sagte ich: »Du scheinst nicht annähernd so guter Dinge zu sein wie bei meinem ersten Besuch, und der liegt noch nicht lange zurück.«
Er schniefte wieder, räusperte sich und murmelte düster:
»Ganz bestimmt nicht. Ich lasse den Kopf hängen, mir blutet das Herz, und meine Hände zittern, so daß meine Arbeit darunter leidet.«
»Bist du krank, Erasmo?«
»Am besten nennst du mich bei meinem heidnischen Namen Ixtálatl, denn ich tauge nicht mehr zu einem Christen. Ich habe so schwer gesündigt, daß mir nicht vergeben werden kann. Ich habe … Cháhuacocolíztli.«
Dieses lange Wort bedeutet ›die schändliche Krankheit, die vom Ehebruch herührt‹. Beinahe schluchzend fuhr er fort: »Nicht nur mein Herz schmerzt, sondern auch mein Tepúli. Ich wage seit einiger Zeit nicht mehr, meine Frau zu umarmen, und sie fragt immer wieder traurig, warum.«
»Ayya«, murmelte ich mitfühlend. »Dann hast du mit einer verführerischen Purémpe-Frau geschlafen. Kopf hoch, Erasmo, einer unserer Ticitl, wahrscheinlich sogar ein spanischer Médico kann das Leiden mildern. Jeder Priester unserer gütigen Göttin Tlazoltéotl wird dich von dem Fehltritt lossprechen.«
»Als Christ kann ich mich nicht an die Göttin wenden.«
»Dann geh und beichte deine Sünde Pater Vasco. Er hat mir gesagt, daß Ehebruch in Utopía nicht gerade etwas Unbekanntes ist. Er hat bestimmt andere losgesprochen und erlaubt, daß sie weiterhin Christen sind.«
Erasmo murmelte schuldbewußt: »Als Mann schäme ich mich zu sehr, um es dem Pater zu beichten.«
»Warum, wenn ich fragen darf, beichtest du es dann mir?«
»Weil sie dich treffen will.«
»Wer?« rief ich verblüfft. »Deine Frau?«
»Nein. Die Ehebrecherin.«
Jetzt war ich völlig verwirrt. »Wieso im Namen aller Götter sollte ich bereit sein, eine Hure mit einem unreinen Tipíli zu treffen?«
»Sie hat sich nach dir erkundigt. Sie kennt deinen heidnischen Namen – Tenamáxtli.«
»Das muß Pakápeti sein«, murmelte ich in noch größerer Verwirrung. Denn wenn Zehenspitze krank gewesen wäre, als sie und ich so oft und leidenschaftlich miteinander schliefen, hätte ich inzwischen ebenfalls Schmerzen und Ausfluß haben müssen. Es war kaum so viel Zeit vergangen, daß ein anderer Mann, der zufällig vorbeigekommen war …
»Sie heißt nicht Pakápeti«, erklärte Erasmo, und mein Staunen wuchs, als er die Hand hob und sagte: »Da kommt sie.«
Das konnte kein Zufall sein. Die Frau mußte unser Näherkommen aus einem Versteck beobachtet haben. Ich hatte sie noch nie gesehen und hoffte, nie mehr ein so kaltes und schadenfrohes Lächeln sehen zu müssen wie das, mit dem sie mich begrüßte. Erasmo machte uns auf náhuatl, nicht auf poré ohne jede Begeisterung miteinander bekannt: »Cuati Tenamáxtli, das ist G’nda Ké, die den Wunsch geäußert hat, dich kennenzulernen.« Ich ersparte mir eine höfliche Begrüßung und sagte nur: »G’nda Ké ist kein Purémpe-Name. Und du hast viele Haare auf dem Kopf.«
Sie verstand Náhuatl, denn sie antwortete: »G’nda Ké ist Yaki« und hob hochmütig den Kopf mit der nachtschwarzen Mähne.
Erasmo murmelte: »Ich muß
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