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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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gehen. Meine Frau …« Er verschwand in Richtung seines Hauses.
    »Wenn du eine Yaki bist«, sagte ich zu der Frau, »dann hast du dich weit von deiner Heimat entfernt.«
    »G’nda Ké ist schon viele Jahre in der Fremde.« Das war typisch für ihre Art, sich auszudrücken. Sie sagte niemals ›ich‹. Sie sprach immer, als stehe sie neben ihrem Körper.
    G’nda Ké schien nicht älter zu sein als ich. Sie hatte ein hübsches Gesicht und eine hübsche Figur. Mir war klar, daß es für sie ein leichtes gewesen sein mußte, Erasmo zu verführen. Aber ganz gleich, ob G’nda Ké lächelte, finster blickte oder ein ausdrucksloses Gesicht machte, sie wirkte immer verschlagen. Das erweckte den Eindruck, sie hüte ein sehr persönliches, schmutziges kleines Geheimnis, mit dem sie ganz nach Wunsch jedem schaden oder ihn sogar in die Mictlan verdammen konnte. Ihr Gesicht hatte noch eine Besonderheit, die man bei Menschen unseres Volkes selten sieht.
    »Du hast viele kleine Flecken auf der Haut«, sagte ich. Es kümmerte mich nicht, ob das unhöflich war, denn ich hielt die Flecken für ein Anzeichen ihres abscheulichen Leidens.
    »G’nda Ké hat am ganzen Körper Flecken«, sagte sie mit einem anzüglichen Lachen, als fordere sie mich auf, mich selbst davon zu überzeugen. Ich ging darauf nicht ein und fragte: »Was führt dich aus dem Land der Yaki so weit in den Süden? Suchst du etwas?«
    »Ja.«
    »Was suchst du?«
    »Dich.«
    Ich lachte nicht sehr erfreut. »Mir war nicht bewußt, daß meine Anziehungskraft so weit reicht. Wie dem auch sei, du hast statt dessen Erasmo gefunden.«
    »Nur, um dich zu finden.«
    Ich lachte wieder. »Erasmo hat allen Grund, sich zu wünschen, du hättest ihn nie gefunden.«
    Sie sagte gleichgültig: »Erasmo ist nicht wichtig. G’nda Ké hofft, daß er die Krankheit an jeden anderen Mexicatl hier in Utopía weitergibt. Die Männer haben die Qual verdient. Sie sind so schlaff und feige wie ihre Vorväter, die sich weigerten, Aztlan mit mir zu verlassen.« In meiner Erinnerung regte sich etwas. Und ich glaubte zu spüren, daß sich meine Haarwurzeln am Hinterkopf ebenfalls regten. Canaútli, der Geschichtserinnerer, hatte uns von einer Yaki-Frau mit dem Namen G’nda Ké erzählt, die vor langer Zeit in Aztlan aufgetaucht war. Sie verwandelte einen Teil der friedlichen Azteca in die kriegerischen Mexica, die sich als Eroberer den Weg zu Ruhm und Größe erkämpft hatten. »Das ist schon viele Jahre her«, murmelte ich. Ich mußte ihr bestimmt nicht erklären, was das ›das‹ bedeutete. »Wenn du damals nicht gestorben bist, wie man erzählt, wie alt mußt du dann sein, Yaki-Frau?«
    »Auch das ist nicht wichtig. Wichtig ist, daß auch du, Tenamáxtli, Aztlan verlassen hast. Und jetzt bist du bereit, G’nda Kés Geschenk, das heißt ihre andere Krankheit, anzunehmen.«
    Ich rief: »Bei Huitzli, ich will keines deiner Leiden!«
    »Ayyo, aber ja doch! Du hast gerade das Wort ausgesprochen. Du willst G’nda Ké nicht verstehen. Sie denkt nur an Huitzilopóchtli. Der Kriegsgott ist G’nda Kés andere Krankheit! Sie wird dir mit Freuden helfen, den Krieg in der gesamten EINEN WELT zu verbreiten.« Ich starrte sie nur an. Ich hatte in letzter Zeit keinen Chápari getrunken, also war dieses schreckliche Geschöpf kaum das Trugbild eines Betrunkenen.
    »Hier wirst du keine Krieger finden, Tenamáxtli. Erliege nicht der Versuchung, in dem friedlichen Utopía herumzulungern. Dein Tonáli hat dir ein härteres Leben bestimmt und ein ruhmreicheres. Geh nach Norden. Du und G’nda Ké, ihr beide werdet auf dem Weg bald wieder zusammentreffen, wahrscheinlich sogar sehr oft. Wann immer du sie brauchst, wird sie dasein, um andere mit der erhabenen Krankheit anzustecken, die du mit ihr teilst.« Während sie sprach, ging sie rückwärts. Bei ihren letzten Worten befand sie sich bereits in einiger Entfernung. Deshalb rief ich ihr zu: »Ich brauche dich nicht! Ich will dich nicht! Ich kann ohne dich Krieg führen! Geh zurück in die Mictlan, wo du hergekommen bist!« Bevor sie meinen Blicken entschwand, sagte sie noch etwas – nicht laut, aber hörbar, und es klang wie eine Drohung: »Tenamáxtli, kein Mann, auch du nicht, kann eine schöne Frau mit der Neigung zu Bosheit und Gehässigkeit abweisen oder sich ihr entziehen. Du wirst G’nda Ké nicht los, solange sie lebt, ihr Haß wächst und sich ihre Krankheiten schneller und immer schneller verbreiten.«
    Pater Vasco sagte: »Ich habe noch nie etwas

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