Der Sohn des Bannsängers
Bullterrier-Stier brüllte, daß der Staub von den Dachsparren rieselte, senkte den Kopf und griff an.
»Auseinander!« Buncan warf sich nach rechts, während die Hörner an der Stelle, wo er eben noch gestanden hatte, die Steinmauer rammten und die stahlharten Kiefer zuschnappten. Diesmal hatte das Wesen sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Hörner zu senken.
Von Ferne hörte er, wie Viz auf Snaugenhutt einredete, er solle sich zusammenreißen, doch das Nashorn konnte ihm jetzt auch nicht mehr helfen. Snaugenhutt hatte das Wesen mit voller Wucht gerammt und es kaum von der Stelle bewegt. Jetzt hing alles von Buncan und den Ottern ab. Mit schwankender Stimme formte er die Worte, an die er sich aus seiner Kindheit erinnerte, den Text, der sich vor gar nicht so langer Zeit so gut für ihn und seine Freunde ausgewirkt hatte. Bloß... diesmal anders. Selbst für seine Ohren klang es eher jämmerlich.
Squill und Neena waren manchmal im Kopf ebenso flink wie mit den Beinen. Da sie das Lied schon einmal gesungen hatten, bereitete es ihnen keine Mühe, den simplen Refrain wieder aufzunehmen.
Gänzlich unbeeindruckt von der Musik blickte der Bullterrier- Stier von den Ottern zum Menschen und versuchte sich zu entscheiden, wem er zuerst den Garaus machen sollte.
Den Ottern lauschend, mußte Buncan zugeben, daß es ihnen gelungen war, ihrem Gesang einen wahrhaft gequälten Klang zu verleihen. Diesmal war der Text kummervoll und pathetisch, voller Trauer und bitterkeit. Sein Spiel war langsamer, ihre Artikulation war langsamer, und gemeinsam erzeugten sie eine Aura unsäglicher Traurigkeit, die den ganzen Raum durchdrang.
Keine leuchtenden Wolken bildeten sich im Raum, sondern die Duar pulsierte in einem satten, dunkelblauen Licht, das der Musik, die Buncan dem Doppelsatz sich überkreuzender Saiten kundig entlockte, vollkommen entsprach.
»Wieviel kostet das 'ündchen, das ich da im Fenster seh? Das mit dem wedelnden Schwanz?
Was kostet das 'ündchen im Fenster, 'e? Sieht so traurig aus, is wohl nich ganz recht 'at den falschen Kopf aufm Rumpf, is bestimmt schlecht Armes Ding, is ganz allein Kein anderes tut wie dieses sein Würd ihm gern 'nen Knochen geben Aber will auch nich zudringlich sein Jemand sollt sich drum kümmern, es braucht Ruh Sei brav, sei still, will ja nich schelten Aber was für 'n Ärger, diese Kiste mit dem Welpen Drum entspann dich, schluck 'ne Pille, laß ru'ig angehn Gib deinen Träumen Zeit, in Erfüllung zu gehn.«
Der Banngesang war voller Wut (schließlich war es ein Rap), aber auch voller Einsamkeit und Sehnsucht, einer Sehnsucht nach Ruhe, die vor allem einem der Anwesenden in diesem chaotischen Raum abging. Das Lied drückte Verlangen nach dem Unerreichbaren aus, nach halbvergessenen Träumen. Auch Snaugenhutt, der sich am Boden der Grube mittlerweile wieder aufgerichtet hatte, wurde vom Gespinst der Melancholie gefangen, das Buncan und die Otter woben. Niemand in Hörweite blieb unbeeindruckt davon. Selbst einige der Dunklen fühlten sich gegen ihren Willen zu uralten Erinnerungen hingezogen.
Buncan spielte schweißgebadet weiter und beobachtete, wie der Bullterrier-Stier auf ihn herunterstarrte.
Er trat herausfordernd einen Schritt vor... und hielt inne, die Mischlingsohren nach vorne gespitzt. Speere ließen ihn gleichgültig, Pfeile prallten von ihm ab, Schwertern vermochte er zu trotzen, doch der Musik konnte er nicht entgehen. Vor Buncans Augen schienen die flammenden Augen einzudunkeln und glasig zu werden. Der rote Farbton der Zunge, ein schleimiger, geifernder Fleischbatzen, glitt seitlich zwischen den mächtigen Kiefern hervor und baumelte aus dem verunstalteten Maul.
Als sich das Gebirge mit Zähnen auf die Hinterbeine setzte und zufrieden zu hecheln begann, breitete sich ein unverkennbares, wenn auch etwas dümmliches Hundelächeln über seine abstoßenden Züge. Während die Otter unermüdlich weiter improvisierten, wich das Lächeln einem von Tränen umrahmten Ausdruck großer Traurigkeit, als das gefühllos gemachte Berserkergehirn von tiefen Emotionen durch drungen wurde. Die mächtigen Kiefer schnappten nicht mehr hungrig. Mit halb geschlossenen Augen wiegte er sich langsam im Takt des Liedes, lauschte und ließ die Musik auf sich wirken.
Erstaunlich, was für eine Wirkung bedachtsame Modifikationen einer simplen Melodie doch haben konnten, dachte Buncan.
Als sie bei der vierzehnten improvisierten Strophe angelangt waren, lag das gewaltige Wesen auf dem Bauch, die
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