Der Sohn des Bannsängers
man sich gar nicht wünschen.
Was aber alles nicht sehr beruhigend war, als das Boot mit dem Bug über die tosende Wasserkante schoß und geradewegs in die Tiefe stürzte, wobei es immer schneller wurde.
Obwohl sie sich am Dollbord festklammern mußten, um nicht vom Deck und über den Bug zu rutschen, schafften es die Otter weiterzusingen. Buncan fiel gegen die Rückwand der Kabine und stemmte sich mit den Beinen am glücklicherweise schmalen Niedergang ab. Er benötigte beide Hände für die Duar. Die dicken Arme um die schwankende, nutzlose Ruderpinne ge- schlungen, schwebte Gugelund über dem senkrechten Deck in der Luft.
Sie erfuhren nie, wie hoch der Wasserfall war, jedenfalls war er hoch genug, daß die Otter zwei weitere Strophen anstimmen konnten, ehe sie unten auftrafen. Ob Gugelunds Schreie für ihren Banngesang eher förderlich oder hinderlich waren, gehörte ebenfalls zu den Dingen, worauf es nie eine Antwort geben würde.
Silbrig funkelnde Felsen sprangen auf sie zu. Wasserdampfgesättigter Wind zerrte an ihrer Haut, ihren Kleidern, ihrem Fell.
Kurz bevor sie auf den Felsen zerschellten, hüllte ein blaßgrüner Nebel das ganze Boot ein. Gugelund entfuhr ein letzter Seufzer, und er schloß die Augen. Der Aufprall war schmerzlos, allerdings hatte Buncan das Gefühl, sein ganzer Körper wäre eingeschlafen und eine Million winziger Splitter durchbohrten seinen Rumpf.
Boot und Besatzung zerbarsten auf den silbernen Felsen. Buncan meinte, seine tapfer weitersingenden Freunde durch den Nebel hindurch auseinander fliegen zu sehen.
Er spürte, wie die Einzelteile seines Körpers unter Wasser umherwirbelten, von der unerbittlichen Strömung mitgerissen wurden. Ganz in der Nähe bemerkte er seine abgetrennten Hände, welche auf der wunderbarerweise unversehrt gebliebenen Duar spielten. Eins seiner Augen wandte sich seinem Gegenstück zu, und sie blinzelten sich zu. Sein Mund schwamm wenige Fuß entfernt und drehte sich träge in der Strömung. An seine Ohren drang der unverkennbare und jetzt ein wenig mystische Rap der Otter. Er verspürte keinen be- sonderen Wunsch, sein Gehirn zu lokalisieren.
Teile von Gugelund trieben vorbei, der losgelöste Mund des Faultiers beklagte mit einer gurgelnden Litanei sein Schicksal.
Unmerklich zunächst, dann mit zunehmender Ge- schwindigkeit, fanden die einzelnen Teile Buncans und des Faultiers, der Otter und des Bootes wieder zueinander und setzten sich im Fluß zusammen. Buncan sah von zwei Seiten gleichzeitig, wie sich das Boot zusammenfügte, denn seine Augen befanden sich vorübergehend an Backbord und Steuerbord. Zerfetzte Planken und verstreute Vorräte vervollständigten sich wieder. Der Vorgang lief mit unnatürlicher Lautlosigkeit ab, auch im Wasser, in dem sie nun trieben, herrschte eine eigenartige Stille.
Außerdem war er alles andere als perfekt. Die Kabine saß zu weit vorn, und die Ruderpinne heftete sich mit dem Unterteil nach oben ans Heck. Der Mast richtete sich mit leichter Neigung auf. Das Endergebnis war jedoch eindeutig ihr Boot.
Gleichzeitig verspürte Buncan ein hartnäckiges Zerren, als die verstreuten Einzelteile seines Körpers unwiderstehlich zueinandergezogen wurden. Augen machten die zugehörigen Höhlen ausfindig, Organe den Rumpf, Füße die fehlenden Knöchel.
Die letzte Strophe hat's gebracht, überlegte er mit einer seltsamen Distanziertheit. Im letzten Augenblick hatten sie doch noch die richtige Kombination von Text und Musik getroffen.
Er beobachtete höchst interessiert, wie seine verschiedenen Körperteile auf ihn zuschwammen, wo immer ›er‹ im Moment beheimatet sein mochte. Finger, Zehen und andere Extremitäten stießen in der Nähe des Hecks zum Rest seines Körpers. Gugelund verwandelte sich nahe dem Ruder in eine erkennbare pelzige Masse, komplett mit Kleidung. Squill und Neena formten sich am Bug anstatt am Heck, wo sie den Banngesang angestimmt hatten.
Mehr als einmal hatte Buncan Jon-Tom den Ausdruck ›in Fetzen geflogen‹ gebrauchen hören. Bis jetzt hatte er gemeint, das sei nur bildlich gesprochen. Als das Echo des Banngesangs sie wieder zusammen gefügt hatte, war ihm aufgefallen, daß er unter Wasser geatmet hatte. Ob das stimmte?
Er atmete tief durch und betastete sich zögernd. Er war wieder heil, doch von dem Erlebten war ihm noch immer schwummerig. Vorne erhoben sich die Otter und eilten zu ihm ans Heck. Gugelund lag auf dem Deck, so schlapp wie ein benutztes Handtuch in einem Schwimmbad. , Sie
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