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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Mann war schmal, kaum mittelgroß und damit deutlich schmächtiger als Rutja. Die Gestalt zu tauschen würde anstrengend und schmerzvoll werden… Man würde rohe Gewalt anwenden müssen, überlegte Rutja und ging dazu über, die praktische Seite der Angelegenheit zu erläutern.
    »Wir können zum Beispiel die alte Kultfigur zu Hilfe nehmen. Du hockst dich eine Zeitlang davor und leierst irgendwas Frommes herunter. Am besten wäre es, wenn du anfangen könntest, laut zu schreien und zu stöhnen, dann kommen wir besser in Stimmung.«
    Sampsa tat, wie ihn Rutja geheißen hatte. Der Sohn des Donnergottes stieg auf den Fels, hüpfte auf der Stelle, brüllte und zappelte wie ein Schamane. Zwischendurch schlug er mit seiner Keule gegen einen Fichtenstamm, daß es nur so krachte. Nach einer Weile fing der Fels an, dumpf zu dröhnen, und in der Luft schwebte wieder der stechende Geruch.
    Rutja steigerte die Anstrengungen. Er steckte Sampsa an, der spürte, wie sein Körper seltsam leicht und kraftlos wurde, auch er kletterte auf den Fels, wo er mit Rutja eine wahnsinnige Polka tanzte. Zwischen ihnen stand die Kultfigur, aus deren Gesicht das vertraute Grinsen verschwunden war: Ihre Miene war nun furchterregend, sie zog eine teuflische Grimasse.
    Der Fels zitterte, der Wald und die ganze Welt schwankten vor Sampsas Augen. Plötzlich packte Rutja Sampsa, sperrte den bärtigen Mund weit auf und begann, ihn zu verschlingen. Jeder der beiden schlüpfte in die Haut des anderen, als würden sich zwei Schlangen gegenseitig verschlingen. Es war das stürmischste Drücken und Pressen, das je auf der Welt stattgefunden hat. Rutja verschlang Sampsa und Sampsa Rutja. Beide zwängten sich in die Haut des anderen, sie keuchten schwer und strampelten heftig.
    Das schauerliche Schauspiel dauerte mindestens eine halbe Stunde, bis endlich beide Gestalten im Magen des jeweils anderen verschwunden waren. Schließlich saßen zwei verschwitzte, erschöpfte Männer auf dem Fels, Sampsa und Rutja. Ein Finne und sein Gott.
    Sampsa sah erstaunt an sich herab. Er hatte nun die Gestalt des Sohnes des Donnergottes, trug dessen Pelzjacke und seinen bemoosten Hut, in der Hand eine schwere Keule und an den Füßen geteerte Rindenschuhe. Das war ein unbeschreiblich wundersames Gefühl. Er war müde, aber kein bißchen ängstlich. Er war jetzt mutig und stark, er war stolz und zäh. Einmal im Leben fühlte er sich wie ein Gott!
    Rutja strich sich die Hosen glatt, Sampsa Ronkainens Hosen. Die enge Jacke spannte ein bißchen an den Schultern. Im Vergleich zu vorher war seine Gestalt klein, aber der Verstand lief so flüssig wie schon lange nicht mehr, nach Menschenart eben. Auch die Stimme hatte sich verändert, sie klang nicht mehr so rauh wie einst am Ufer des Totenflusses.
    »Hat doch gut geklappt, auch wenn es ganz schön anstrengend war«, meinte Rutja. »Die Frauen der Erde behaupten immer, daß die Geburt ein hartes Schöpfungswerk ist. Das glaube ich ihnen zwar, aber wenn sie erst mal einen ausgewachsenen Mann schlucken und dann auch noch sich selbst gebären müßten, dann wüßten sie erst, wie uns jetzt zumute ist.«
    Sampsa machte sich Sorgen um die praktische Seite der Angelegenheit.
    »Ich habe ein Antiquitätengeschäft und einen Hof. So wie ich jetzt aussehe, kann ich unmöglich unter die Leute gehen. Die bekommen es mit der Angst zu tun, nehmen mich fest und stecken mich ins Gefängnis oder wenigstens in die Irrenanstalt.«
    Rutja erklärte, daß sie ja gerade deshalb die Gestalt getauscht hätten. Es war nicht zweckmäßig, mit dem Aussehen eines Gottes unter den Menschen aufzutauchen. Von nun an übernähme er, Rutja, die Verantwortung für Sampsas Leben und Arbeit, für den Hof ebenso wie für das Antiquitätengeschäft. Sampsa könne Urlaub machen und ausspannen. Hauptsache, er bliebe von der Bildfläche verschwunden und ließ Rutja freie Hand.
    »Du kannst dich ganz auf mich verlassen. Einen einzelnen Finnen ersetze ich allemal«, sagte Rutja.
    Sampsa gab zu, daß es keine besonderen Fähigkeiten erforderte, seinen Platz auszufüllen. Im Grunde war er froh über das, was geschehen war. Nun würde er sich in aller Ruhe damit beschäftigen können, alte Möbel zu restaurieren. Er könnte gute Bücher lesen, Urlaub machen, sich der Länge nach ausstrecken und in Ruhe über sein Leben nachdenken. Er hatte nun den Sohn des Donnergottes höchstselbst als Vertreter auf seinem Lebensweg. Eine bessere Aushilfe konnte sich ein lebendiger Mensch doch

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