Der Sohn des Donnergottes
neugierige Typen, die aus ihren Bauten in allen Vierteln der Stadt in die Iso Roobertinkatu kamen. Sie plauderten über alles mögliche, erzählten sich gegenseitig alte finnische Volksrätsel und warteten aufgeregt auf die Ankunft der Elfen. Sie mochten die Elfen sehr, diese reizenden kleinen Fräuleins, die durchsichtige Gewänder trugen und mit heller Stimme sangen. Die Wichtelmännchen machten gewagte Sprüche über die Elfen, wie:
Plitsch platsch,
der Elfenpopo klatscht…
Als die Elfen dann aber auftauchten, hielten die Wichtelmännchen wohlweislich den Mund. Rutja führte die Elfen in die Küche, wo er sie im Geschirrschrank einschloß. Diese Vorsichtsmaßnahme war notwendig, weil auch Gnome kamen.
Die Gnome waren griesgrämige, haarige, affenähnliche Erdgeister, etwas kleiner als die Wichtelmännchen. Mit gerunzelter Stirn liefen sie durch den Opfersaal, wobei sie die langen Arme über den Boden schleifen ließen. Sie hatten einen auffallend langen Schwanz, mit dem sie die Fliegen verscheuchten, die ihnen im Pelz saßen. Am Schwanzschlagen konnte man ablesen, wann die Erdgeister von einer Gefühlswallung ergriffen waren. Sie konnten zwar sprechen, beschränkten sich jedoch zumeist auf Brummen und Knurren, wenn sich die Notwendigkeit der Kommunikation ergab. Die Gnome waren stärker als die Wichtelmännchen, denn sie waren an harte Arbeit im Inneren der Erde gewohnt, während die Wichtelmännchen ein deutlich bequemeres Leben in den Gebäuden der Menschen führten. Am leichtesten hatten es natürlich die Elfen, deren Hauptaufgabe auf der Erde darin bestand, sich zu amüsieren, zu tanzen und zu singen.
Rutja zog seinen Wolfspelz an. Für Steuerprüferin Suvaskorpi hatte er ein blaues, durchsichtiges Nachthemd gekauft, das sie sich errötend überstreifte. Rutja betrachte sie mit einem Lächeln. Diese Frau sah fast so anmutig aus wie die im Himmel umherflatternde bezaubernde Schönheit Ajattara.
Kurz vor fünf kamen außer Notar Mälkynen und Werbeleiter Keltajuuri auch Maurer Sivakka und Installateur Hannula zur Opferzeremonie, die beiden letztgenannten mit beträchtlicher Schlagseite. Als letzter erschien Psychiater Onni Osmola. Er war mit dem Taxi gekommen, hatte den Fahrer um eine Quittung gebeten, mit der Absicht, sie seiner Arztrechnung beizulegen. Als er jedoch den Sohn des Donnergottes in seinem Wolfspelz erblickte, verzichtete er erst einmal darauf, die Quittung zu präsentieren. Steuerprüferin Suvaskorpi geleitete den Arzt zu einer Bauernbank in der Mitte des Salons und wies ihn an, neben Installateur Hannula Platz zu nehmen. Onni Osmola wußte nicht, was er davon halten sollte, denn das durchsichtige Nachthemd der Steuerprüferin verwirrte ihn doch sehr.
Die Veranstaltung begann. Rutja befahl den Wichtelmännchen und Gnomen, um den Opferofen herum Aufstellung zu nehmen. Sie erhielten die Aufgabe, Speisen und Getränke in den Salon und auf den Ofen zu tragen. Rutja ließ die Elfen aus dem Geschirrschrank in der Küche. Mit lieblichem Gesang und anmutig tanzend wirbelten die Fräuleins in den Salon. Einige Gnome erstarrten, als sie die Elfen sahen, und vergaßen für einen Moment ihre Aufgabe, Bier zu servieren. Der Tanz der Elfen ließ sie erblinden. Kein Wunder, denn in den Abflüssen und Schächten der Großstadt hatte ein gewöhnlicher Erdgeist nicht oft die Gelegenheit, einer Elfe beim Tanzen zuzuschauen.
Während die Elfen sangen, fingen die Wichtelmännchen an, sich im Kreis zu drehen. Sie sangen ihre eigenen Koboldlieder, klatschten in die behaarten Hände und jauchzten. Auch die Gnome kamen allmählich auf den Geschmack: Sie stimmten in die Lieder ein und schlugen mit ihren langen Schwänzen den Takt.
Rutja erhob die Hände. Die Elfen, Wichtelmännchen und Gnome unterbrachen ihre Darbietung. Rutja hob den Blick gen Himmel und murmelte seinem Vater etwas zu. Plötzlich flammte ein blendendgelbes Licht aus seinem Finger, gleichzeitig schob sich auch schon ein Kugelblitz zischend in den Raum. Ein dumpfer Donner ertönte, und der Blitz entzündete die Kohle im Opferofen. Die Wichtelmännchen stellten die Lebensmittel daneben, die geopfert werden sollten. Schon bald begann die Kohle zu glühen, blauer Rauch schwebte im Salon. Die Gnome trampelten mit den Füßen auf den Boden und riefen im gleichen Takt:
»Rutja, Rutja, Rutja!«
Der Sohn des Donnergottes las die sechs Gebote Ukko Obergotts vor. Dann servierten die Wichtelmännchen und Gnome wieder Speisen und Getränke, und die
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