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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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äußerst klar strukturiert. Rutja starrte dem Patienten mit seinem blau flackernden Blick fest in die Augen. Gleichzeitig sprach er eine Zauberformel, die an seinen Vater Ukko Obergott gerichtet war.
     
    He ho, Ukko Obergott,
    Donnerer am Himmelsrand!
    Gib dem armen Kerl Verstand,
    bring ihn wieder zur Vernunft!
     
    Im allgemeinen, sofern die Verwirrtheit oder Neurose des Patienten von leichter oder höchstens mittelschwerer Qualität war, half das bereits. Der Patient hatte das Gefühl, als ob eine kalte Kraft von dem Blick seines Gegenüber ausging und in sein krankes Gehirn strömte und von dort aus in den ganzen Körper: Er zuckte eine Weile, stieß wilde Schreie aus, hielt sich mit beiden Händen den Kopf, als hätte er Angst, dieser könne zerspringen, und sank dann, sobald Rutja den Blick abwendete, leer und erschöpft auf seinem Stuhl zusammen. Nach kurzer Zeit erholte sich der Patient und spürte, wie sein Gehirn anfing, klar und ruhig zu arbeiten. Er wußte, er war geheilt.
    Aber es gab auch schwere Fälle, bei denen der kurze Zauberspruch nicht wirkte. Nicht einmal der blauflackernde Blick war stark genug, um das Gehirn von verrückten Ideen und schrecklichen Wahnvorstellungen zu reinigen. Dann sprach Rutja eine weitere Zauberformel:
     
    Wie ein Fuchs schnüre der Geist,
    der Grips renne wie eine Maus.
    Schlage in den schlaffen Schädel
    heftig einen Donnerkeil!
     
    Wenn Ukko Obergott im Himmel diese Beschwörungsformel vernahm, befahl er dem Köter des Totenreichs, zweimal aufzuheulen, und schlug dann selbst ein- oder zweimal zu. Und sieh an! Auch in diesen Fällen kehrte die Vernunft in den Kopf des armen Patienten zurück. Der böse Geist verschwand aus seinen Gedanken, der Patient spürte sogleich, wie der gesunde Geist sein Gehirn durchströmte. So schlimm verwirrt konnte ein Mensch gar nicht sein, als daß er durch diese Formel und durch das Flackern in Rutjas Augen nicht geheilt werden könnte.
    Oder vielleicht doch. Ein komplett verrückter Bursche aus Kerava litt an einer derart tiefen Erschütterung seines Gemüts, daß bei ihm nichts anschlagen wollte: Rutja sprach Beschwörungsformeln und starrte dem Irren in die Augen, aber der glotzte bloß noch idiotischer zurück. Schließlich griff Rutja zu einer wirklich starken Formel:
     
    Hart ist der Schädel des Spinners,
    härter aber der Blitz!
     
    Es ertönte ein fürchterlicher Donner, als ein Blitz durch die Lüftung in das dunkle Behandlungszimmer schoß. Er zischte geradewegs auf den Kopf des Mannes nieder, so daß dessen Haare qualmten und sich die Augen in den Höhlen drehten.
    Das hatte Erfolg! Die verrückten Gedanken im Kopf des Mannes aus Kerava waren verschwunden, die Spinnereien wie weggeblasen. Zwar hielt er sich das Herz, aber er war glücklich, als er aus dem Behandlungsraum taumelte und durch sein glückliches Wesen die enorme Kraft und die grenzenlose Menschenliebe des Sohns des Donnergottes bezeugte.
    O welche Freude und Seligkeit die armen Hysteriker erfuhren, als sie wieder klar denken konnte, wie es sich für Menschen gehörte! Alle wollten Rutja, dem Sohn des Donnergottes danken. Mit Tränen in den Augen warfen sie sich ihm zu Füßen und versprachen, ihm die Hilfe, die sie empfangen hatten, tausendfach zu vergelten.
    Der zappelige Irre wurde ausgeglichen, ja sogar überlegt in seinem Verhalten, der Mund der Schwermütigen verzog sich zum ersten Mal in ihrem Leben zu einem befreiten Lächeln, die schwachsinnige Hysterikerin fand zur Vernunft und zum logischen Handeln, der Labile bekam einen festen Willen und wurde stabil und sicher.
    Bis Dienstag abend hatte Rutja sechs Frauen und drei Männern die verwirrenden, bösen Geister ausgetrieben. Als die Behandlung am nächsten Tag fortgesetzt wurde, konnten noch einmal fünf Frauen und der letzte männliche Patient geheilt werden. Innerhalb von zwei Tagen hatte Rutja auf wunderbare Weise fünfzehn Kranke gesund gemacht. Das war mehr als das, was Jesus seinerzeit innerhalb von zwei Monaten zu Werke gebracht hatte. Aber Jesus war ja auch kein Finne, so wie Rutja.
    Bis Mittwoch behielt man die Patienten noch zur Beobachtung in der Heilanstalt. Wer wollte, durfte die ganze Woche auf Ronkaila bleiben, aber wer der Ansicht war, er sei stabil genug, durfte ohne weiteres gehen.
    Keinem einzigen Patienten wurde eine Pflegegebühr in Rechnung gestellt, aber wer mochte, durfte etwas bezahlen. So kamen in der ersten Woche bereits 28.000 Finnmark durch freiwillige Zahlungen zusammen, die

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