Der Sohn des Haeuptlings
greife ich das Angebot auf“, meinte der Kriminalkommissar und schmunzelte. Dann fragte er plötzlich: „Ob diese Frau Bandel wohl noch auf den Beinen ist? Ich meine, wann schließt sie ihre Milchbar gewöhnlich?“
„Etwa in einer halben Stunde“, meinte Emil, nachdem er auf seine Armbanduhr geblickt hatte.
„Dann nichts wie los“, meinte Herr Roland und stand auf. Er gab Tesu die Hand und bedankte sich. „Vielleicht bringt uns deine Geschichte wirklich zum Ziel.“
„Jedenfalls ist es ein verdammt heißer Plan“, stellte Fritz Treutlein fest.
„Ich zeige Ihnen den kürzesten Weg“, schlug der Chefredakteur vor. „ Und da wir sowieso am Hotel zum Kurfürsten vorbei müssen, kann ich gleichzeitig unseren indianischen Freund bei Mister Webster abliefern.“
Der Kriminalkommissar hatte schon die Türklinke in der Hand, da fragte Karlchen Kubatz noch: „Wäre zuerst nicht wenigstens eine Hausdurchsuchung angebracht?“
„Bei wem?“ fragte Herr Roland.
„Bei Pohmann natürlich“, erwiderte Karlchen.
„Wenn wir es wirklich mit dem neuen Plan probieren, können wir vorerst darauf verzichten“, meinte der Kommissar und tat so, als würde er sich die Sache noch überlegen.
In Wirklichkeit hatte er natürlich zusammen mit seinem Assistenten dem Haus des Bademeisters längst einen Besuch abgestattet. Ein wenig illegal allerdings, ohne amtliche Erlaubnis, und während Herr Pohmann im Dienst gewesen war. Sie hatten eine ganze Zeitlang nichts Besonderes entdeckt. Bis dann Herr Specht in der Küche eine Keramikblumenvase aus dem Regal genommen und umgedreht hatte. Dabei war eine Visitenkarte auf den kleinen Küchentisch geflattert. Sie stammte von einem Herrn Westernhagen aus Köln mit Adresse und Telefonnummer, so wie es sich für Visitenkarten gehört.
Aber davon erzählte Kriminalkommissar Roland jetzt natürlich nichts. Er sagte nur noch: „Den Pohmann, den lassen wir vorerst im eigenen Saft schmoren.“ Er setzte seinen Hut auf. „Wenn dann die Bombe platzt, ist er weich wie Pudding.“
Und Herr Pohmann schmorte tatsächlich.
Er spazierte schon, seitdem er nach Hause gekommen war, in seinem Wohnzimmer hin und her.
Jetzt ging er in sein Schlafzimmer und warf sich im Dunkeln auf sein Bett, grub sein Gesicht in die Kissen und dachte, dachte, dachte —
Wie war das alles möglich gewesen? Wie hatte das so kommen können?
„Ich muß ihn anrufen“, überlegte er. „Ja, ich muß ihn sprechen. Er muß wissen, daß die Polizei schon hinter mir her ist.“
Er sprang auf, rannte in das Wohnzimmer und fing an, eine Nummer zu wählen.
„Vielleicht beobachtet man mich schon“, schoß es ihm durch den Kopf. „Vielleicht stehen irgendwo auf der Straße oder hinter einem Baum im Garten Polizisten. Oder sie hören meine Telefonleitung ab.“
Er nahm den Finger aus der Wählscheibe und legte wieder auf.
Der Hörer war vom Schweiß seiner Hand ganz naß.
Die vergammelte Brieftasche
Es rührte sich kein Lüftchen, und der Himmel färbte sich violett, als Frau Bandel am nächsten Morgen in ihrem Sonnenblumenwagen saß und wartete. Sie hatte sich hinter einer Plakatsäule versteckt, konnte aber trotzdem den Eingang zum Haus des Professors in der Haselnuß Straße und das Gartentor von Herrn Pohmann beobachten. Wenn sie geradeaus blickte, hatte sie ziemlich groß das Plakat der Osterfestspiele mit den Herren Old Shatterhand und Winnetou vor der Windschutzscheibe.
„Wenn die Aufführung genauso kitschig wird, wie die Reklame ist, dann fröhliche Weihnachten“, dachte sie gerade, als drüben der Bademeister aus seinem Haus kam. Frau Bandel startete vorsichtig und fuhr los.
Als sie in die Haselnußstraße einbog, machte es den
Eindruck, als käme sie, wie an jedem Morgen, direkt aus der Stadt.
Herr Pohmann schob gerade sein Fahrrad auf die Straße, als Frau Bandel ihren Wagen zum Stehen brachte und auf dem Grundstück des Professors ins Freie kletterte.
„Guten Morgen, Herr Pohmann“, rief Frau Bandel über den Zaun. „Ich glaube, hier in der Gegend sind wir die einzigen, die mit den Hühnern aufstehen.“ Sie hatte inzwischen den Gepäckraum aufgemacht und zerrte an einem Sack herum.
„Warten Sie, ich helfe Ihnen“, rief Herr Pohmann.
„Haben Sie denn überhaupt noch soviel Zeit?“
„Erstens bin ich heute früher dran“, meinte Herr Pohmann. „Und zweitens kann ich notfalls nachher auf dem Rad einen Zahn zulegen.“
„Das ist aber wirklich wahnsinnig freundlich von Ihnen“,
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