Der Sohn des Haeuptlings
„Obgleich die Auswertung ergeben hat, daß das Material kaum etwas wert war. Machen wir einen Punkt, die Sache ist für mich erledigt.“
„Eben nicht“, meinte Herr Pohmann. „Es gab nämlich einen unangenehmen Zwischenfall.“
„Mit dem ich nichts zu tun habe“, rief der Mann aus Köln ins Telefon.
„Beruhigen Sie sich“, zischte Herr Pohmann. „Wir sitzen im gleichen Boot, und ich lasse Sie nicht einfach aussteigen. Hab’ ich mich klar genug ausgedrückt?“
„Was wollen Sie also?“ fragte Westernhagen. „Noch mehr Geld?“
„Ja, aber nicht umsonst“, erwiderte der Bademeister. „Ich kann Ihnen jetzt die kompletten Unterlagen beschaffen, hören Sie genau zu —“
Und daraufhin erzählte Herr Pohmann, was Frau Erika Bandel so leichtsinnig ausgeplaudert hatte.
„Der günstigste Zeitpunkt wäre die Nacht vom Ostersonntag“, schlug Herr Pohmann schließlich vor. „Da sitzt ein großer Teil von Rittershude bei der Premiere im Freilichttheater. „
„Und wenn es regnet?“
„Desto besser“, meinte Herr Pohmann. „Dann jagt man nicht einmal einen Hund auf die Straße.“
„Hat die Polizei schon was von dir wissen wollen?“ fragte der Mann aus Köln.
„Nicht mehr als von allen anderen Nachbarn auch“, log Herr Pohmann. „Ich wette mit dir, die Sache ist todsicher. „
„Ich wette nie, um so was erst recht nicht“, war die Stimme aus Köln zu hören. „Auf mich darf nicht der geringste Verdacht fallen.“
„Da haben wir ja beide denselben Wunsch“, sagte Herr Pohmann, und es gelang ihm dabei sogar zu lächeln. „Aber du bist in deinen Entscheidungen nicht ganz frei. Vergiß nicht, daß ich deine Visitenkarte habe. Die ist soviel wert wie ein Steckbrief.“
„Also Sonntag abend“, knurrte es kurz angebunden aus Köln.
„Sagen wir Punkt einundzwanzig Uhr beim Ortsschild an den Lagerhallen. Zwanzig Meter weiter gibt es einen schmalen Feldweg, der ziemlich zugewachsen ist. Da kannst du deinen Wagen parken wie in einem Versteck. Keine Menschenseele verirrt sich da hin. Ich warte mit dem Fahrrad. Und vergiß den Zaster nicht.“
„Die Reihenfolge hat sich nicht geändert“, antwortete der Mann aus Köln. „Zuerst die Ware, dann die Piepen.“
„Ich sag’s ja nur, damit du dir genügend einsteckst“, meinte der Bademeister fast gutmütig und wiederholte noch einmal: „Sonntag einundzwanzig Uhr.“
„Auf die Minute“, kam es vom anderen Ende der Leitung. „Und mach’ ja keinen Quatsch —“
„Wollt’ ich dir grade auch noch empfehlen“, erwiderte Herr Pohmann. „Spiel nicht mit dem Gedanken, mich auf’s Kreuz zu legen —“
Als der Bademeister sein Fahrrad später wieder im Hof der städtischen Badeanstalt an einen Ständer schloß und sich bei der dicken Kassiererin zurückmeldete, überspielte ein Kriminalbeamter in der Kölner Telefonzentrale das Gespräch zwischen einem gewissen Herrn Westernhagen und einem gewissen Herrn Pohmann bereits zum zweitenmal nach Bad Rittershude. Der Anschluß des früheren Herrn Müller war auf Betreiben von Kommissar Roland nach mehreren Anträgen endlich zum Abhören freigegeben worden, und jedes Telefonat wurde seitdem auf Magnettonbändern festgehalten.
„Würden Sie uns das Gespräch noch ein drittes Mal abspielen?“ bat Kriminalkommissar Roland.
Sein Assistent hörte an einem zweiten Apparat mit und notierte das Gespräch.
„Besten Dank“, sagte Herr Roland schließlich zu dem Kollegen in Köln. „Und die Überwachung fortsetzen.“ Anschließend bat er den Polizeimeister Kalender um eine Verbindung mit „Erikas Milchbar“.
„Das ist ja ein Volltreffer“, bemerkte Herr Specht in seinem verbeulten Jackett. „Das hätte ich nie und nimmer für möglich gehalten. Ich meine, daß die beiden da drauf reinfallen.“
„Ja, hier Erika Bandel“, meldete sich kurz darauf die Besitzerin der Milchbar.
„Einen Moment, ich reiche weiter“, sagte Polizeimeister Kalender.
„Guten Tag, Frau Bandel“, meinte der Kriminalkommissar, als er den Hörer übernommen hatte. „Ich wollte Ihnen nur sagen, Sie sind ein Engel.“
„Kann ich das bei Gelegenheit schriftlich haben?“ lachte Frau Bandel. „Sonst noch was?“
„Ja, Sie sind anscheinend auch eine blendende Schauspielerin“, stellte der Kriminalkommissar fest.
Die Glorreichen Sieben schwänzen die Abendvorstellung
Die Premiere der Osterfestspiele hatte ein Wetter zum Verlieben. Es war ein Tag wie mitten im Sommer.
Um die Spitzen der Tannen flimmerte
Weitere Kostenlose Bücher