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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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natürlich an Tesu, und plötzlich schämten sie sich darüber, mit diesen dämlichen Gänsefedern auf dem Kopf, den hölzernen Spielzeugtomahawks und in ihrer braun angemalten Haut schon in den nächsten Minuten an ihm vorbeizuschleichen und dann mit Gebrüll auf der Bühne über die Sioux herzufallen.
    Der erste Bürgermeister hatte sich unterdessen verbeugt und wieder Platz genommen.
    Aus den Lautsprechern kam jetzt zuerst die indianische Musik, und dann die Stimme der Schauspielerin, die unsere Freunde inzwischen schon zum Erbrechen oft gehört hatten.
    „— und die tapferen Apachen schlichen immer näher an seine Zelte und an seine Lagerfeuer.“
    „Sssssssssst“, zischte Emil Langhans ganz leise durch die Zähne.
    Und jetzt machten sich die als Apachen kostümierten Schüler auf die Socken. Leise und gebückt schlichen sie durch die Bankreihen am Publikum vorbei.
    Inzwischen hatte sich die Maximilianschule auf die Freilichtbühne gemogelt und sich dort an das Lagerfeuer gesetzt. Einige hatten sich auch in die Wigwams verzogen.
    Die heranschleichenden Apachen wurden erst bemerkt, als eine dicke Frau in einem eigelben Sommerkleid plötzlich laut aufschrie.
    „Diebe!“ brüllte sie wie am Spieß.
    Dabei hatte Karlchen Kubatz sie nur aus Versehen mit seinem Kopfschmuck an ihrem nackten Ellbogen gestreift.
    „Ach so, das gehört schon zur Vorstellung“, flüsterte sie, als sie ihren Irrtum bemerkte. „Ich hab’ doch tatsächlich geglaubt, jemand will an meine Handtasche.“
    Damit war der so wirkungsvoll gedachte Auftritt der Apachen leider verraten. Denn selbstverständlich hatten sich alle Zuschauer umgedreht, und die beabsichtigte Überraschung war im Eimer.
    „Wenn wir jetzt wie die Idioten weiterschleichen, als ob nichts passiert wäre, wiehern die Leute gleich vor Schadenfreude“, flüsterte Karlchen Kubatz. „Los, wir stürmen!“ Er rief „Uiiiiiiii!“ und rannte los. Die anderen blieben ihm hautnah auf den Fersen.
    Die Sioux auf der Bühne spielten geistesgegenwärtig ihre Schrecksekunde bedeutend länger als gewöhnlich. Eben so lang, daß ihren Feinden genug Zeit blieb, die Bühne zu erklimmen, bevor die geprobte Keilerei losging.
    Der Chefredakteur der Bad Rittershuder Nachrichten saß neben seiner Frau, und der Setter Nepomuk lag, vor sich hindösend, vor ihren Füßen.
    „Guck mal, unser Kleiner“, bemerkte Herr Kubatz, nahm drei oder vier Züge aus seiner Pfeife und schmunzelte.
    Kriminalkommissar Roland hatte zusammen mit seinem Assistenten Specht neben einer Würstchenbude Platz gefunden. Von hier konnten sie gleichzeitig das Spiel auf der Bühne beobachten und auch Bademeister Pohmann, der zwischen seinen Skatbrüdern Bemmelmann und Konsorten etwas seitlich in der vierten Reihe saß.
    Als Winnetou und Old Shatterhand zum erstenmal auftraten, wurden sie wie zwei alte Bekannte mit herzlichem Applaus empfangen, und über Sam Hawkins kugelten sich vor allem die Kinder vor lauter Lachen. Dieser Erfolg beflügelte den dicken Komiker aus Hildesheim. Wenn er schon bei den Proben ein wenig zuviel auf die Tube gedrückt hatte, jetzt gab er seinem Affen derart Zucker, daß sich selbst Theaterdirektor Friedebold, der im allgemeinen seinen Schauspielern manche Übertreibung durchgehen ließ, die Ohren zuhielt.
    Es ging um den Höhepunkt im zweiten Akt.
    Sam Hawkins war an den Marterpfahl gefesselt, und natürlich hatten böse weiße Männer die Rothäute mit Feuerwasser betrunken gemacht. Die drei Stuntmen galoppierten, als Indianer verkleidet, auf ihren Pferden immer wieder furchterregend um den Gefangenen herum, und das Lagerfeuer brannte dicht vor seinen Füßen. Herr Schwarzfeder schwang abwechselnd Tomahawk und Lasso. Aber da Sam Hawkins genau wußte, daß Winnetou zusammen mit seinem Freund Old Shatterhand im Gebüsch lauerte, um ihn ziemlich umgehend zu befreien, riß er mutig einen Witz nach dem anderen und sparte auch nicht mit Kraftausdrücken.
    „Bald wird deine Seele in den ewigen Jagdgründen sein“, prophezeite ein wütender Häuptling dem Opfer am Marterpfahl und drohte mit seinem Speer.
    „Irrtum, verfluchtes Falkenauge, noch heute wird dein Skalp meinen Gürtel zieren, so wahr ich jetzt über deine Drohung lache.“ Und jetzt lachte der Komiker aus Hildesheim, daß es einem durch Mark und Bein ging.
    Das Finale versammelte alle Mitwirkenden auf der großen Freilichtbühne. Nachdem sie sich zwei volle Stunden lang mit wechselndem Erfolg bekriegt hatten, waren die Feinde

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