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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Prinz-Ludwig-Gymnasiums in den Kulissen verfolgt, was der indianische Sensationsdarsteller bisher vorgeführt hatte.
    „Tesu!“ flüsterte es immer lauter so ziemlich hinter allen Bäumen und Felsbrocken hervor.
    „Soll ich?“ flüsterte der Sohn des Apachenhäuptlings.
    „Wenn es dir Spaß macht, warum nicht?“ murmelte Mister Webster. „Bestimmt käme dann Stimmung in die Bude.“
    „Aber nur, wenn bestimmt nichts passieren kann“, meinte Mrs. Webster besorgt.
    „Die Direktion bezahlen jede Person, die Marterpfahl treffen, zehn Mark auf Hand“, verkündete inzwischen der Indianer.
    „Und aus welchem Abstand muß geworfen werden?“, wollte ein junger Bursche aus der vorletzten Reihe wissen.
    „Zwanzig Meter“, entschied Herr Schwarzfeder.
    „Einverstanden“, sagte Tesu und stand auf.
    Die Zuschauer sprachen durcheinander und beruhigten sich erst, als der alte Indianer dem Jungen mit den blauschwarzen Haaren und der bronzenen Haut seinen Tomahawk überreichte.
    Tesu prüfte die Waffe, sah dem Indianer kurz in die
    Augen, und in diesem Augenblick schien Herrn Schwarzfeder endlich ein Licht aufzugehen.
    „Du bist —“ konnte er grade noch sagen.
    Aber da war Tesu bereits auf seinen Stuhl gesprungen. Die Entfernung von ihm bis zu dem Ziel auf der Freilichtbühne mochte etwas mehr als dreißig Meter betragen.
    „Das ist zu weit —“ warnte Herr Schwarzfeder noch aufgeregt.
    Aber der hochaufgerichtete Junge schwang bereits den Tomahawk zweimal und irrsinnig schnell durch die Luft. Ein zischendes Geräusch schnitt durch die Stille. Und dann schlug die Waffe krachend in das Holz des Marterpfahls. Genau an der Stelle, wo ein bedauernswertes Opfer etwa seinen Kopf gehabt hätte.
    Das Publikum war aus dem Häuschen, sprang teilweise auf und klatschte in die Hände. Auch aus den Kulissen, hinter den Felsen und Bäumen hervor, kamen Rufe und konnte man Applaus hören. Das Durcheinander war so groß, daß kaum jemand bemerkte, wie der alte Herr Schwarzfeder vor Tesu fast in die Knie ging.
    „Dein Hemd hat sich beim Wurf geöffnet, und ich habe auf deiner Brust das Totem eines großen Häuptlings gesehen. Mein Name ist Tiwa aus dem Stamm der Ogallalla.“ Er hatte in indianischem Wabanaki gesprochen. „Manitu beschütze deinen Weg.“
    „Er möge auch deinen Weg beschützen“, antwortete Tesu.
    Fritz Treutlein, der neben Frau Erika Bandel in der fünften Reihe saß, hüpfte vor lauter Begeisterung hin und her. Weil er für die vielen Proben natürlich nicht immer frei bekommen hatte, war er heute nur Zuschauer.
    „Tesu! Bravo Te — su!“ rief er.
    „Ist ja schon gut“, meinte Frau Bandel. „Aber jetzt komm wieder auf den Teppich.“
    Doch der Frisörlehrling beruhigte sich nicht: „Jetzt haut der alte Gauner doch tatsächlich ab, ohne die zehn Mark zu bezahlen“, schimpfte er.
    Der angebliche Häuptling namens Schwarzfeder war inzwischen wieder auf die Bühne gelaufen, hatte mit aller Kraft den Tomahawk aus dem Marterpfahl gezerrt und verbeugte sich jetzt nach allen Seiten, als ob er selbst die Waffe ins Ziel geworfen hätte.
    Als er in den Kulissen verschwand, kreuzte er seinen Weg mit dem des Theaterdirektors.
    Der Intendant des Stadttheaters schritt kerzengerade und wie ein wandelnder Besenstiel zur Bühnenmitte. Er begrüßte das zahlreich erschienene Publikum, und erteilte dann in lobenswerter Kürze gleich dem ersten Bürgermeister das Wort. Dabei streckte er die rechte Hand aus, um dem Stadtoberhaupt beim Klettern über die Natursteine behilflich zu sein.
    Der Bürgermeister begrüßte die Besucher zum zweitenmal und hob dann besonders die Anwesenheit von Mister Webster und seiner Frau hervor. Daß sie von einem echten Häuptlingssohn begleitet wären, müßte er nach dem Wurf mit dem Tomahawk, den das sehr geehrte Publikum ja soeben miterlebt hätte, kaum mehr erwähnen. Er machte an dieser Stelle eine Pause und lächelte über seinen eigenen Spaß. Das gutaufgelegte Publikum lächelte gleichfalls, und ein paar Unentwegte klatschten sogar noch einmal.
    In der Zwischenzeit schlichen sich die als Apachen verkleideten Schüler des Prinz-Ludwig-Gymnasiums hinter den Rücken der abgelenkten Zuschauer in ihre Ausgangsposition für den Anfang der Vorstellung.
    „Wenn du wüßtest, wie unsagbar blöd ich mir vorkomme“, flüsterte Emil Langhans.
    „Wir blamieren uns bis auf die Knochen“, stimmte Karlchen Kubatz zu.
    „Er wird sich kugeln vor Lachen“, murmelte Hans Pigge.
    Alle dachten

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