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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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müssen.“
    Endlich sprang Herr Kubatz wie elektrisiert aus seinem Liegestuhl. „Das kann tatsächlich passieren?“
    „Beim DFB-Pokal hat man schon Kamele auf das Eis hüpfen sehen!“ brüllte Redakteur Hildesheimer als Antwort. „Alles ist drin, wenn wir morgen bei der Auslosung Glück haben.“
    «Das ist wieder Chinesisch für mich“, gab der Chefredakteur zu. Sport war nicht gerade seine starke Seite. „Würden Sie mir das übersetzen?“
    „Sämtliche Vereine, die heute gewonnen haben“, erklärte Herr Hildesheimer, „werden morgen nachmittag vor Millionen Zuschauern im Fernsehen wie beim Lotto in einer großen Plexiglastrommel durcheinandergewirbelt, und dann zieht irgend jemand die Namen der Vereine, die in der nächsten Runde gegeneinander spielen.“
    „Unsere Mannschaft in einer der großen Fußballhochburgen“, überlegte Herr Kubatz so laut, daß es sein Redakteur am anderen Ende der Strippe hören konnte. „Das wäre allerdings ein Knüller.“
    Und Bad Rittershude hatte Glück.
    So ziemlich die ganze Stadt saß am nächsten Tag vor der Röhre, und genau fünf Minuten nach siebzehn Uhr wurde das entscheidende Los gezogen.
    Die Sensation war perfekt.
    Am Montag morgen stand es zuerst als Schlagzeile in den Zeitungen der bayerischen Hauptstadt: „Fußballzwerg FC Bad Rittershude für unsere Elf kein Problem.“
    Chefredakteur Kubatz hatte noch am Abend Extrablätter drucken lassen.
    „Wir kommen ins Olympiastadion!“ verkündeten die Bad Rittershuder Nachrichten mit der größten Schrift, die man in ihrer Setzerei auftreiben konnte. „Und es wird garantiert kein Spaziergang für die Bayern.“
    Aber diese Drohung erreichte die Münchener Zeitungsleser nicht.
    Weil Extrablätter aus Bad Rittershude genauso selten an die Isar kommen wie Schildkröten zu den Eskimos.

Mister Webster haut es vom Stuhl

    Einigermaßen um dieselbe Zeit, als Redakteur Hildesheimer aus einer Zelle am Fußballplatz Herrn Kubatz anrief, klingelte auch in einer schneeweißen Villa am Rand von Chicago das Telefon.
    Eigentlich summte es mehr, als daß es läutete, und während hinter dem Zobelberg in Bad Rittershude die
    Sonne schon untergegangen war, kletterte sie hier gerade über den Wolkenkratzern und an den Spitzen der beiden runden Zwillingstürme in der Marina City vorbei immer steiler in den Himmel.
    In der Stadt und rund um den Michigansee herum war es kurz vor zwölf Uhr mittags.
    Die weiße Villa war leer, und alle Türen standen offen. Draußen im Garten flatterte an einem hohen Mast die amerikanische Flagge im Wind, der wie meistens vom Osten herkam.
    An der Toreinfahrt tanzten über das große, glänzende Messingschild mit der Aufschrift COMMISSIONER OF INDIAN AFFAIRS immer wieder helle oder dunkle Flecke, je nachdem, wie gerade das Licht durch das Laub der Bäume fiel.
    „Man nix hat Ruhe“, schimpfte eine dicke und kaffeebraune Negerin. Sie trug eine Schürze, die genauso blendend weiß war wie die ganze Villa, zu der sie gehörte, und stellte den Rasenmäher ab. Mit ihm war sie gerade dicht vor einem kleinen Teich mit Goldfischen angekommen.
    Sie watschelte, so schnell es eben ging, über den Kiesweg in das leere Haus.
    Jetzt summte das Telefon bereits zum drittenmal.
    „Hier bei Mister Webster“, meldete sich Jenny und ließ dabei ihre zwei Zentner in einen tiefen Ohrensessel fallen. Beinahe gleichzeitig angelte sie sich eine Zigarre aus der silbernen Dose, die in Reichweite auf dem Schreibtisch stand.
    „No, hier nix Mistress Webster“, erklärte sie nach einer Weile. „Hier sprechen nur Jenny, die wo Haushalt macht, und Sie mich stören beim Schneiden von Gras.“ Dabei zündete sie sich bereits eine von Mister Websters Zigarren an.
    „Das tut mir aber leid, Jenny“, sagte die freundliche Stimme eines Mannes, der noch nicht besonders alt war. Er saß im siebenundneunzigsten Stockwerk des John Hancock Buildings, das mit seinen schwarzen Stahl- und Glasfassaden zu den Sehenswürdigkeiten von Chicago gehört. „Richten Sie Mister Webster bitte aus, das Innenministerium hätte angerufen.“
    „Innenministerium“, wiederholte Jenny und paffte die erste Rauchwolke in die Luft. Zigarren waren ihre Leidenschaft, und sie konnten nicht stark und dunkel genug sein. Mister Webster kannte ihre Schwäche, und er hatte ihr erlaubt, sich in seiner Abwesenheit zu bedienen, sooft sie Lust dazu verspürte.
    „Ihre Name , wenn ich darf bitten?“
    „Staatssekretär Fuller“, sagte der Mann am anderen

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