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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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wir dann bald ankommen.“ Er saß nach wie vor aufrecht, ohne sich anzulehnen im Rücksitz. Jetzt setzte er sich auch noch eine schwarze Melone auf.
    „Sie sind unverbesserlich“, stellte Mister Webster schmunzelnd fest.
    Die Straße wurde immer steiler, und die Kurven wurden immer noch enger. Dabei ging es jetzt durch tiefe Schlaglöcher oder über die ausgefahrenen Furchen von Pferdekarren.
    „Soweit sind wir also schon“, stellte Mister Webster eine Viertelstunde später fest.
    Auf der linken Straßenseite kam ein großes Holzschild mit der Aufschrift APACHE RESERVATION in Sicht, was bedeutete, daß hier jenes Gebiet begann, das dem Stamm der Apachen von der Regierung zugewiesen und auch durch die Indianerverträge garantiert worden war.
    „Auf diesen Besuch hab’ ich mich, schon als wir zu dieser Rundreise aufgebrochen sind, am meisten gefreut“, meinte Mister Webster. „Hast du noch einen Pfefferminzdrops, Liz?“
    Seine Frau bediente ihn und erinnerte dabei mit einem kleinen Lächeln daran, daß ja auch die Sioux, die sie gerade besucht hatten, oder die Delawaren, die Crows oder die Uintahs sehr liebenswerte Menschen seien.
    „Du hast schon recht“, gab Mister Webster zu. „Aber es gibt doch große Unterschiede. Denk dran, wie sich manche Stämme selbst ausgerottet haben, weil sie wegen irgendeines lumpigen Jobs in die Städte gegangen sind. Ahnungslos wie Kinder sind sie im Existenzkampf mit den Weißen in den Slums gelandet, beim Alkohol und schließlich im Gefängnis.“
    „Und aus ihren früheren Jagdgründen klauen inzwischen clevere Geschäftemacher Kohle, Silber und Uran“, ergänzte Mrs. Webster nachdenklich.
    „Wo sie einmal ihre Büffel jagten und ihre Wigwams hatten“, knurrte Mister Webster, „stehen heute Hochhäuser, quietschen Ölpumpen, liegen Schutthalden und Autowracks. Gibst du mir bitte Feuer?“
    Er hatte sich mit der linken Hand eine tiefschwarze Zigarre aus der Brusttasche seines buntkarierten Hemds gefingert.
    „Oder die andere Art, irgendwie zu überleben“, fuhr Mister Webster fort, „wenn sie ihr Lächeln und ihre Würde, wie zum Beispiel die Navajos am Colorado River, den Touristen verkaufen, die in Omnibussen oder mit Pauschalreisen zu ihnen kommen.“ Mister Webster paffte bereits die erste kleine Rauchwolke gegen die Windschutzscheibe. „Dann tanzen sie für Geld und schon lange nicht mehr für ihren Gott Manitu. Sie schleichen zum Spaß auf dem Kriegspfad, rauchen mit den Fremden die Friedenspfeife, lassen sich fotografieren und kassieren dafür.“
    Mister Webster unterbrach sich, beförderte seine schwarze Zigarre von dem rechten in den linken Mundwinkel und pfiff dabei durch die Zähne, soweit das ging. Die Kurven wurden jetzt nämlich so eng, daß er seinen großen Wagen ein Stück zurücksetzen mußte, um weiterzukommen. „Nur sechs Stämme, und darunter in erster Linie die Apachen, sind zu ihrer alten Tradition zurückgekehrt. Sie leben heute wieder, wie ihre Väter gelebt haben. Sie sagen, daß sie ihre Vergangenheit einholen wollen und haben den Alkohol in ihren Reservaten verboten, wollen wieder leben, ohne zu stehlen und ohne zu lügen. Und weil sie wissen, daß ihnen das nur in der Natur gelingen wird und möglichst weit weg von den Weißen, leben sie wieder in ihren alten Jagdgründen, hören sie wieder allein auf ihre Häuptlinge, züchten Vieh, treiben Ackerbau, haben eigene Schulen und sprechen nur noch ihr Hopi oder ihr Wabanaki und lediglich ein paar Brocken Englisch — für ein Datum oder eine Jahreszahl. Weil die indianische Sprache für Zeit keine Wörter hat.“
    „Kann ein Indianer dann gar nicht sagen, wie spät es gerade ist, zum Beispiel?“ fragte Pennyfull auf seinem Rücksitz verwundert.
    „Er muß es in Englisch ausdrücken“, erwiderte Mister Webster. „Aber machen Sie sich darüber nicht lustig, mein Lieber. Warten Sie besser, bis Sie meine Apachen persönlich kennenlernen.“
    „Vor allem ihren Häuptling“, bemerkte seine Frau. „Sie werden sich wundem und mit den Ohren schlackern.“
    „Dieser Kuguah“, schwärmte ihr Mann und nahm wieder einen Zug aus seiner pechschwarzen Zigarre, „das ist doch ein Kerl wie aus einem Bilderbuch. Und das sag’ ich nicht nur deshalb, weil er mich zu seinem Blutsfreund gemacht hat. Irgendwie vergesse ich unsere ganze Zivilisation mit ihren verdammten Wolkenkratzern und Konservenbüchsen, wenn ich bei diesen herrlichen Burschen in ihren Zelten sitze. Du, Liz, der Abschied von

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