Der Sohn des Haeuptlings
blieb kurz stehen.
Herr Pohmann kam die zwei oder drei Schritte bis zum Zaun: „Sagen Sie mal, was ist eigentlich los beim Professor? Gestern kam ganz grüner Rauch aus seinem Kamin, und die Luft hat fast eine Stunde lang wie Schwefel gerochen.“
„Wer weiß, was er da wieder in seiner Giftküche zusammenexperimentiert hat“, meinte Frau Bandel und lachte dabei. „Aber solange nicht das ganze Haus in die Luft fliegt, gibt’s ja keinen Grund zur Aufregung.“ Sie ging jetzt mit ihren prallgefüllten Einkaufstaschen endgültig zum Haus hin.
„Mahlzeit“, rief der Bademeister hinter ihr her. „Das ist für einen Nachbarn ja sehr beruhigend!“ Er holte sein Fahrrad, das an der Hauswand lehnte, und strampelte los.
Herr Müller erwartete ihn bereits auf der Treppe vor dem Hotel zum Kurfürsten.
Auch er war im Trainingsanzug.
„Na, dann wollen wir mal“, meinte der Rothaarige mit den abstehenden Ohren lachend. „Am besten, Sie lassen Ihr Rad auf dem Parkplatz, und wir fahren mit meinem Wagen zuerst mal aus der Stadt raus ins Grüne.“
Schon eine Viertelstunde später trabten die beiden nebeneinander über einen Waldweg.
So etwa nach einem Kilometer schlug Herr Müller vor: „Lassen Sie uns wieder ein paar Meter im Schritt gehen. Meine Kondition läßt doch zu wünschen übrig. Ich sollte wohl weniger rauchen, glaube ich.“
„Oder überhaupt nicht“, gab Herr Pohmann grinsend zurück und schlug ein paar Atemübungen vor.
Anschließend ging es wieder im Laufschritt quer durch den Wald, und der Bademeister kurvte vor Herrn Müller im Slalom um Bäume herum und an Sträuchern vorbei.
„Ich heiße übrigens Eberhard mit Vornamen“, meinte Herr Müller, als er während der nächsten Pause, Schweißperlen auf der Stirn, nach Luft pumpte.
„Und ich heiße Olaf“, antwortete Herr Pohmann, der jetzt gleichfalls tief durchatmete.
„Gemeinsames Leiden bringt die Menschen näher“, keuchte Herr Müller und probierte zu lächeln.
Wie recht er damit hatte, zeigte sich bereits fünf Minuten später, als der Bademeister kurz vor dem Zobelberg sein Herz ausschüttete. Er habe sich finanziell übernommen, gestand er, als sie nebeneinander herliefen und auf die Wurzeln am Boden achteten, um nicht zu stolpern. Mit seiner Frau zusammen habe er sich am Bau eines wirklich bescheidenen Reihenhauses beteiligt. Aber es sei eben am Ende teurer geworden — wie alles heutzutage. Zudem sei ihm seine Frau davongelaufen, kurz bevor sie gemeinsam einziehen wollten.
„Sie hat als Sekretärin ganz schön verdient, und ihr Gehalt war natürlich in unsre Ausgaben eingeplant“, schloß Herr Pohmann. „Jetzt muß ich Schulden machen, und die Bank verlangt Sicherheiten. Manchmal weiß ich nicht mehr, wo mir der Kopf steht.“
„Und verkaufen wollen Sie natürlich nicht?“ fragte Herr Müller.
„Wird mir schließlich nichts anderes übrigbleiben“, meinte der Bademeister. „Aber weil ich dann zum Verkauf gezwungen bin, wird man das ausnutzen, und ich verliere sauer verdientes Geld dabei —“
„So was ist allerdings bitter“, stellte Herr Müller fest. Gleichzeitig blieb er stehen. „Was ist denn da drüben los?“
„Unsere Freilichtbühne“, erklärte Herr Pohmann. „Und es sieht so aus, als probten sie schon für die Osterfestspiele —“
„Das sehen wir uns an“, entschied Herr Müller.
Im Kampf der beiden Indianerstämme schienen auf der Bühne die überfallenen Sioux vorerst leider gesiegt zu haben.
Jedenfalls stand Emil Langhans schlaksig und die Hände auf dem Rücken, um anzudeuten, daß er gefesselt sei, vor dem Holzbrett, das vorläufig noch den Marterpfahl darstellte.
Emil verzog im Augenblick fürchterlich sein Gesicht, um Furcht und Schrecken auszudrücken.
„Unsinn“, rief der Theaterdirektor aus seinem Regiesessel. „Du blickst selbstverständlich, ohne mit der Wimper zu zucken, geradeaus. Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“
„Ich dachte nur, wenn die alle so bedrohlich um mich herumstehen ...“ wagte der Junge mit der dicken Hornbrille und den langen Haaren zu widersprechen.
„Das Denken überläßt du gefälligst mir“, regte sich Herr Friedebold auf. „Dafür werde ich bezahlt.“ Von Viertelstunde zu Viertelstunde war der Künstler während der Probe ungeduldiger geworden.
„Bitte weiter!“ befahl er.
Daraufhin hüpfte der Komiker aus Hildesheim, der die Rolle des Sam Hawkins übernommen hatte, von einem Bein aufs andere und brüllte lauthals: „Jetzt paß gut
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