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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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schnell und gewandt zu sein.
    Deshalb ging es bei der Probe der „Gezeichneten“ nur darum, möglichst viele Pfeile in die Luft zu schießen, bevor der erste wieder zum Boden zurückfiel.
    Jeder Junge mußte in die Mitte des Großen Platzes treten.
    Auf jeden warteten zehn Pfeile, die der Medizinmann in die Erde steckte und deren Spitzen er zuvor in flüssigen Teer getaucht hatte. Erst im letzten Augenblick zündete er die Pfeile an, gab gleichzeitig das Zeichen zum Beginn.
    Die brennenden Geschosse stiegen steil in den nächtlichen Himmel und ließen eine Bahn flammender Funken hinter sich.
    Mit fünf Pfeilen erreichte ein hochgewachsener Junge unter der ersten Hälfte der Bewerber die bisher beste Leistung.
    Schließlich war Tesu an der Reihe.
    Es kam darauf an, den ersten Pfeil möglichst hoch in den Himmel zu schießen, um seinen Fall hinauszuzögern und dadurch Zeit zu gewinnen.
    Tesu stand aufrecht, die Beine etwas gespreizt und den Bogen in der linken Hand.
    Sunkaku zündete mit einem brennenden Holzstab die Spitzen der zehn Pfeile an.
    Mister Webster, der mit seiner Frau neben Kuguah auf Stühlen saß, die man für die Gäste und den Rat der Krieger aus den Pueblos geholt hatte, suchte ein wenig verstohlen den Blick des Häuptlings. Aber dessen Gesicht war ohne Regung. Er zeigte nicht mehr und nicht weniger Anteilnahme als zuvor bei den Versuchen der anderen Jungen.
    Jetzt gab der Medizinmann das Zeichen.
    Blitzschnell griff Tesu nach dem ersten Pfeil und spannte mit aller Kraft seinen Bogen.
    Die Frauen und Kinder stießen Laute der Verwunderung aus.
    So steil und so hoch war bisher noch kein Pfeil in den Himmel gestiegen. Und als Tesu ihm bereits das zweite Geschoß hinterherschickte, hatte der erste immer noch nicht den Höhepunkt seiner Bahn erreicht.
    Pschschschschschschsch — das war schon der vierte Pfeil.
    Als Tesu zum sechstenmal die Sehne seines Bogens spannte, blieben auch die Krieger nicht mehr ruhig.
    Solange der Stamm zurückdenken konnte, waren sieben Pfeile bei einer Prüfung der „Gezeichneten“ bis zum heutigen Tage der absolute Rekord gewesen.
    Pschschschschschsch — das war bereits der achte.
    Tesu setzte gerade zum neunten Schuß an, da fiel sein erster Pfeil dicht am Ufer ins Wasser.
    Acht Pfeile.
    „Uff“, stieß Tesu hervor, der selbst am meisten überrascht war. Bei seinen Übungen mit Tokana waren sie außer sich vor Freude gewesen, als ihnen eines Tages noch im letzten Augenblick der Abschuß eines sechsten Pfeils gelungen war. Tesus hellblaue Augen hatten geleuchtet vor Freude.
    Der Medizinmann schien überhaupt nicht beeindruckt zu sein. Er rief die nächsten Bewerber auf, bis ganz zuletzt nur noch Tokana übrigblieb.
    Tesu war ein wenig traurig. Natürlich erfüllte ihn sein Erfolg mit Stolz und mehr noch mit Freude, weil er vor dem Stamm und seinem Vater bestanden hatte. Aber seine Freundschaft mit Tokana war so ehrlich, daß er auch ihm den Sieg gewünscht hätte.
    Tokana wußte, daß der Kampf für ihn ohne Aussicht war. Aber gerade deshalb nahm er alle Kraft zusammen. Er wartete mit fast geschlossenen Augen, bis der Medizinmann seine Pfeile angezündet hatte. Dann gab dieser wieder das Zeichen.
    Und von diesem Augenblick an arbeiteten die Hände Tokanas mit der Präzision einer Maschine.
    Mit feinem, singendem Geräusch flogen die kleinen Fackeln seiner Pfeile in die Nacht und in den Himmel.
    Beim siebten Pfeil war Tesu aufgesprungen, und mit ihm auch die Häuptlinge und Krieger. Stumm blickten alle auf Tokana, der gerade blitzschnell den achten Pfeil auf die Sehne seines Bogens drückte.
    Als er dann kaum zwei Sekunden später für den neunten Schuß bereit war, erging es ihm genauso wie kurz zuvor dem Sohn des Häuptlings. Sein erster Pfeil fiel brennend auf den sandigen Uferstrand zurück.
    „Buah — hu! — Buah — hu —!“
    Die Krieger tanzten vor Freude. Trommeln erklangen, und die Kinder quietschten mit ihren hellen Stimmen dazwischen. Bis Sunkaku wieder seine Arme ausbreitete und das Ergebnis verkündete: „Tesu und Tokana!“
    Die beiden Jungen standen regungslos. Nur ein Zittern von der überstandenen Anstrengung war in den schlanken Körpern. Als sie sich jetzt gegenseitig in die Augen blickten, waren sie beide sehr glücklich. Glücklich darüber, daß der Sieger nicht allein Tesu oder allein Tokana hieß.
    „Freude und Stolz bewegen unsere Herzen“, verkündete der alte Chingachgook, hob die Arme und blickte durch die dicken Gläser seiner

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