Der Sohn des Haeuptlings
der erste Jungenkopf aus dem Wasser tauchte.
Jetzt konnten vor allem die Frauen und die Kinder nicht mehr an sich halten. Sie überschrien sich mit ihren hellen Stimmen gegenseitig. Und ihr Jubel brach jedesmal von neuem los, wenn wieder ein Kopf und der nächste Schwimmer das Kanu erreicht hatte und sichtbar wurde.
Da jetzt die Strecke in der Rückenlage begann, mußten sich die Jungen dem Ufer zuwenden. Und dabei waren die einzelnen zu erkennen. Vorerst lag Tokana noch an der Spitze. Aber Tesu schwamm dicht hinter ihm.
Der Sohn des Häuptlings wußte, daß er auch bis zum nächsten Boot seinem Freund nur dicht auf den Fersen bleiben konnte. Zu oft hatten die beiden sich im Zweikampf gemessen, und immer wieder hatte es sich dabei gezeigt, daß Tokana im Rückenschwimmen der bessere war.
Trotzdem ließ Tesu seine Arme kreisen und schnellte mit jedem Schlag so weit wie möglich weiter nach vorn. Wenn er seinen Freund auf diesem Teil der Strecke auch nicht einholen konnte, sollte wenigstens der Abstand zu ihm nicht größer werden.
Die übrigen Jungen lagen schon fünf und zehn Meter zurück.
Endlich kam das zweite Kanu. Es mußte nur berührt werden, dann war der Rückweg zum Ufer frei. Als Tesu noch die Hand ausstreckte, schoß Tokana, der bereits gewendet hatte, schon wie eine Otter an ihm vorbei.
Tesu drehte sich bereits in der Wendung und noch unter Wasser in die Brustlage. Gleichzeitig gelang es ihm, sich mit den Füßen vom Kanu abzustoßen. Vermutlich kam das Boot mit den Kriegern dadurch ganz schön ins Schwanken.
Aber das war ihm natürlich gleichgültig.
Entscheidend war allein, daß Tesu sich von diesem Augenblick ganz in seinem Element fühlte. Denn auch das hatten die bisherigen Zweikämpfe mit Tokana erwiesen. Auf der Strecke, die sie jetzt zurückzulegen hatten, war Tesu der Stärkere.
Vom Ufer aus achtete man nur noch auf die beiden ersten, die das Feld anführten. Kuguah und seine Krieger verbargen allerdings ihre Erregung hinter unbewegten Mienen. Aber die Frauen und Kinder brüllen nach wie vor, und ihre Stimmen überschlugen sich dabei.
„Tesu-!“
„Tokana —!“
Oder auch umgekehrt.
„Tokana —!“
„Tesu-!“
Der Sohn des Häuptlings schob sich immer näher an seinen Freund heran. Sie waren noch etwa fünfzig Meter vom Ufer entfernt, als die beiden dicht nebeneinander und auf gleicher Höhe lagen.
Da setzte Tesu zum Endspurt an.
Er wechselte den Stil seines Schwimmens, hob jetzt den Oberkörper wie ein Delphin aus dem Wasser und warf die ausgestreckten Arme weit voraus.
Selbst die Krieger stießen erstaunte „Uffs!“ aus und sahen mit ehrlicher Bewunderung zu dem schwimmenden Knaben, der in gerader Linie auf sie zugeschossen kam.
„Donnerwetter! Der Bursche schwimmt wie ein Fisch!“ rief Mister Webster anerkennend und nahm seine Zigarre aus dem Mund.
Der Chor der Frauen und Kinder war jetzt ganz zum Sohn des Häuptlings umgeschwenkt. „Tesu!“ riefen sie nur noch. „Tesu —!“
Mit mehr als zwei Meter Vorsprung erreichte Kuguahs Sohn das Ufer. Dort stand er jetzt schweratmend, schlank und mit triefendem Haar vor Sunkaku. Der Medizinmann breitete die Arme aus und rief laut den Namen des Siegers.
Jetzt erhoben sich auch die Krieger und übertönten mit ihrem „Buah-hu“ selbst noch den Lärm der Frauen und Kinder.
Tokana aber war der erste, der seinen Freund umarmte. Kurz darauf stand dann Mister Webster vor Tesu. „Donnerwetter, ich gratuliere“, rief der Mann in seinem bunten Buschhemd. Er blickte zu Kuguah, der sich inzwischen gleichfalls erhoben hatte. „Ein Jahr habe ich die Zelte der Apachen nicht mehr gesehen, und aus dem Sohn des Häuptlings, den ich als Kind verließ, ist ein Jüngling geworden.“
„Jahre vergehen wie der Schnee in der Sonne“, antwortete Kuguah.
Noch ziemlich oft sollte Sunkaku im Laufe dieses Abends und dieser Nacht den Namen Tesu nach den einzelnen Kämpfen als Sieger ausrufen dürfen. Nur im Lauf über die Strecke von den Viehherden bis zum Festplatz war es Tokana, der als erster durchs Ziel ging. Dafür siegte Tesu wieder beim Ritt auf den ungesattelten Pferden und beim Werfen mit dem Tomahawk.
Die ersten Feuer mußten schon entzündet werden, als die „Gezeichneten“ schließlich mit Pfeil und Bogen geprüft werden sollten.
Das Treffen eines Zieles war für einen Apachen eine Selbstverständlichkeit. Einige von ihnen erreichten mit ihren Pfeilen den fliegenden Schmetterling. Wichtiger erschien ihnen, mit der Waffe
Weitere Kostenlose Bücher