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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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den elternlosen Jungen, dem er sein Leben verdankte, in das Tipi des Häuptlings zu nehmen. Und Kuguah hatte, glücklich über die Errettung seines Sohnes, diesen Wunsch erfüllt.
    Am Heiligen Felsen, den die Apachen „Manitus Ohr“ nannten, weil das Gestein an seiner höchsten Stelle mit einer großen, runden Öffnung durchbrochen war, hatten sich daraufhin Tesu und Tokana gegenseitig kleine Wunden an den Oberarmen beigebracht und nach altem indianischen Brauch ihr Blut vermischt und sich damit ewige Treue bis zum Tod geschworen.
    Seitdem waren die beiden unzertrennlich, und der eine war der Schatten des anderen.
    So war es auch ganz selbstverständlich, daß Tesu und Tokana gemeinsam zur Mutprobe in die Wälder aufgebrochen waren und jetzt mit den roten Kreisen auf der Brust nebeneinander in ihrem Kanu lagen.
    Seit Stunden hatten sie kein Wort gesprochen.
    Und doch kannte jeder die Gedanken des anderen.
    Es waren zweiundzwanzig Jungen, die darauf brannten, heute abend als „Gezeichnete“ die Probe zum Krieger zu bestehen. Aber unter allen hatte Tesu nur einen als gleichwertigen Gegner zu fürchten, seinen Freund Tokana.
    Das wußte auch Tokana. Der Gedanke, gegen Tesu vor allen Kriegern des Stammes im Wettlauf und in allen anderen Kämpfen anzutreten, ihn vielleicht sogar besiegen zu müssen, quälte den Jungen.
    In diesem Augenblick waren vom Dorf herüber die Kriegstrommeln zu hören. Sunkaku gab das Zeichen zum Beginn des Walkan.
    Tesu und Tokana richteten sich auf. Sie sahen sich an und blickten dann über den Rand des Kanus. Der glutrote Ball der Sonne war nun schon fast bis zur Hälfte hinter den Bergen der Sierra Soledad verschwunden. Die Hütten und Zelte drüben lagen im rötlichen Abendlicht.
    Immer lauter wurde jetzt das Dröhnen der Trommeln. Das Rufen und Schreien der Kinder mischte sich dazwischen. Dann wieder die Gesänge der Krieger und einzelne Gewehrschüsse.
    Der allgemeine Lärm kam näher. Und jetzt wurden auch schon die ersten Gestalten sichtbar. Ihnen folgte die Masse des ganzen Stammes. Die Richtung des allgemeinen Laufens und Rennens führte zum See. Schon nach wenigen Augenblicken war der Strand dicht bevölkert.
    Tesu und Tokana hatten ihr Kanu verlassen.
    Vor Kuguah und seinen älteren Kriegern standen die zwanzig Prüflinge. Zu ihnen traten jetzt auch Tesu und sein Freund. Die Knaben trugen alle den roten Kreis der „Gezeichneten“ auf der Brust und waren nur mit einem kurzen Lendenschurz aus Schlangenleder bekleidet.
    Sunkaku hatte alle Zeichen seiner Würde angelegt. Die riesenhafte Gestalt des Medizinmannes schien noch größer durch die zwei geschwungenen Büffelhörner, die er als einziger neben den Adlerfedern in seinem Kopfschmuck führte. Um Hals und Arme trug er Bänder, Totems und Ringe, die alle ihre besondere und geheimnisvolle Bedeutung hatten. Trotz eines weiten, glänzenden Umhangs aus Otterfellen war die breite, muskulöse Brust völlig frei. Diese Brust war ebenso wie bei den „Gezeichneten“ mit einem großen roten Kreis bemalt.
    „Sunkaku mag beginnen!“ sagte der Häuptling jetzt und setzte sich mit seinen Kriegern in den Sand. Auch Mister Webster, der wieder eines seiner bunten Buschhemden trug und seine unvermeidliche schwarze Zigarre paffte, setzte sich neben Kuguah. Ebenfalls seine Frau, für die Pennyfull vorsorglich eine Kamelhaardecke mitgebracht hatte. Das übrige Volk der Apachen ließ sich nieder, wo es gerade stand.
    Das allgemeine Durcheinander hatte sich inzwischen beruhigt. Die ganze Aufmerksamkeit richtete sich zum Ufer hin. Dort hatte der Medizinmann seine Prüflinge zu einer regelrechten Startreihe nebeneinander gestellt. Dann erhob Sunkaku seinen rechten Arm. Das war das Zeichen. Fast gleichzeitig stürzten sich die schlanken Körper der „Gezeichneten“ ins Wasser.
    Auf dem See lagen zwei Kanus, die mit Kriegern besetzt waren. Das erste Kanu mochte etwa hundert Meter vom Ufer entfernt sein. Bis zu ihm mußte die Strecke ohne aufzutauchen, also ganz unter dem Wasserspiegel, zurückgelegt werden.
    Von dort war es etwa noch eine halbe Meile zum zweiten Boot. Diese Strecke war über Wasser und auf dem Rücken zu durchschwimmen.
    Das zweite war gleichzeitig die Wendemarke.
    Von hier wieder bis zum Ufer zurück gab es für die Schwimmer keine Vorschrift mehr. Jetzt ging es nur darum, die Strecke möglichst schnell hinter sich zu bringen.
    Alle Blicke richteten sich jetzt zum ersten Kanu. Es herrschte atemlose Stille, bis dicht neben dem Boot

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