Der Sohn des Haeuptlings
sehen, wenn die Wälder gelegentlich den Blick freigaben. Es konnten also nur noch runde hundert Meilen bis zum Missouri sein.
Mister Webster, der im Umgang mit Menschen Erfahrung und meistens auch Erfolg hatte, wäre nicht im Traum auf die Idee gekommen, daß es mit Tesu irgendwelche Schwierigkeiten geben würde. Dabei schien er vergessen zu haben, daß es immerhin fast fünf Jahre gedauert hatte, bis er Kuguahs Freund und weißer Bruder geworden war. Also konnte er eigentlich nicht erwarten, daß ihm der Sohn schon nach einem halben Tag sein Vertrauen und seine Zuneigung schenkte.
Im Gegensatz zur Außentemperatur war die Stimmung innerhalb der schwarzen Limousine dementsprechend kühl und beinahe frostig.
„Willst du Radio hören?“ fragte der Amerikaner, als er wieder einmal die Limousine mit quietschenden Reifen aus einer engen Kurve steuerte. „Wir haben die Auswahl unter sieben Stationen.“
„Besten Dank“, erwiderte Tesu. „Nehmen Sie keine Rücksicht auf mich.“
Mister Webster versuchte immer wieder, eine Unterhaltung auf die Beine zu bringen. Tesu schien auch jedesmal aufmerksam zuzuhören und gab höfliche Antworten. Aber diese Antworten waren sehr unverbindlich. Sozusagen aalglatt und leider immer verdammt kurz angebunden.
Mister Webster verfluchte zum erstenmal diese sonst so gerühmte indianische Gelassenheit. Nein, wirklich, er hatte sich die Sache mit Tesu einfacher vorgestellt.
Am meisten Verständnis hatte seine Frau. Sie wußte, daß gewisse Dinge erst ganz allmählich wachsen müssen. Sie schwieg also fast genauso beharrlich wie Tesu. Sie wartete ab. Und da Abwarten nicht besonders aufregend ! st, gelang es ihr, zwischendurch immer wieder ein kurzes Nickerchen zu machen.
Allmählich wurde es draußen dunkel, und Mister Webster schaltete die Scheinwerfer ein.
Pennyfull empfand die Situation beleidigend und empörend. Natürlich erlaubte er sich kein einziges Wort zu bemerken. Aber seine Miene drückte deutlich aus, was er dachte. Es war ja widerlich, wie sein Chef dem Indianerbengel um den Schnabel ging. Dabei war der Bursche bestimmt dümmer, als es die Polizei erlaubte.
Mit dieser Meinung befand sich Pennyfull allerdings im Irrtum. Indianerjungen sind heute keine Halbwilden mehr. Tesu hatte in einer ordentlichen Schule Englisch gelernt, verstand eine ganze Menge von Geographie, Mathematik und anderen Dingen, von denen der Butler in dem dunklen Anzug bestimmt keine Ahnung hatte.
Im übrigen erwiderte Tesu Pennyfulls Abneigung. Ein Mann, der offensichtlich nur dazu da war, anderen Leuten die Schuhe zu putzen und ihre Koffer zu schleppen, war nach indianischer Auffassung so etwas wie ein männliches Dienstmädchen. In den Augen Tesus verrichtete Pennyfull Frauenarbeit. Es wäre lächerlich gewesen, sich diesen Kerl als Krieger vorzustellen. Dieser Pennyfull war für Tesu ein glasklarer Fall. Er würde ihn von sich aus nie eines Wortes würdigen.
Anders lagen die Dinge mit diesem Mister Webster. Einerseits verfügte auch er zumindest äußerlich über keine kriegerischen Eigenschaften. Er war ziemlich dick und würde sich wohl nie auf den Rücken eines Pferdes schwingen können. Aber er war immerhin mit seinem Vater befreundet, und der Häuptling hatte sogar Brüderschaft mit ihm geschlossen. Er mußte also gewisse Qualitäten haben und mochte in seinem Volke ein ebenso großer Häuptling sein, wie Kuguah es bei den Apachen war. Auch mußte Tesu zugeben, daß dieser Mister Webster sich ständig bemühte, freundlich zu ihm zu sein.
Übrigens war die Squaw dieses Amerikaners ein ziemliches Rätsel für Tesu. Offensichtlich durften die Frauen bei den weißen Männern drauflosreden, wie es ihnen gerade paßte. Man zwang sie offensichtlich gar nicht, sich im Hintergrund zu halten. Nun, die Weißen mochten mit ihren Frauen machen, was sie wollten! Aber es ging entschieden zu weit, wenn diese Frau ihn, den völlig Fremden, ganz ungeniert ansprach, ihm sogar Geschenke anbot. Daran änderte auch die Tatsache nichts, daß diese Frau schön aussah und sehr fröhliche Augen hatte.
Jedenfalls hatte sich der Sohn des Häuptlings vorgenommen, sehr vorsichtig und sozusagen ständig sprungbereit zu sein. Es war gut, immer wieder seinen Federschmuck und den Tomahawk auf den Knien zu spüren.
Uff! Jetzt war er beinahe eingeschlafen.
Zugegeben, er war müde und hatte verdammten Hunger.
Aber er mußte wach bleiben.
Und wenn dieser Teufelswagen bis ans Ende der Welt rollte. Er zwang sich, die
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