Der Sohn des Haeuptlings
nicht. So vergingen etwa zehn Minuten.
Mister Webster band sich gerade eine sehr bunte Krawatte um den Hals, da kam Jenny die Treppe heruntergeschlichen. „Er sich bewegt, Sir, er sich hat gerade in seinem Bett umgedreht“, flüsterte sie aufgeregt. — Und es stimmte.
Das Gästezimmer lag im ersten Stock, und Tesu war tatsächlich aufgewacht.
Solange er die Augen noch nicht geöffnet hatte, glaubte er, wie immer und zusammengerollt wie eine Katze in seinem Wigwam zu liegen.
Aber fast schon im selben Augenblick spürte er das ungewohnte und fremde Bett. Er war plötzlich hellwach. Doch rührte er sich nicht. Er blinzelte nur ganz vorsichtig zwischen seinen schwarzen Wimpern hindurch und blickte sich um.
Der völlig fremde Raum lag im Halbdunkel.
Das kam von den geschlossenen Vorhängen.
Aber trotzdem konnte der Junge Einzelheiten erkennen. Eine blendendweiße Bettdecke, Bilder an den Wänden, zwei Schränke, einen Tisch, einen Sessel, und auf ihm entdeckte er seine Lederkleidung. Irgendwo standen die zwei Reisetaschen auf dem bunten Teppich, der den ganzen Boden bedeckte. Sein Kopfputz hing über der Lehne eines Stuhls, und dicht neben ihm auf einer Glasplatte lag sein Tomahawk und das Totem seines Vaters.
Man hatte ihn also wenigstens nicht bestohlen.
Als Tesu ganz sicher war, daß sich außer ihm kein anderes lebendes Wesen im Zimmer befand, machte er die Augen wieder zu und überlegte.
Das letzte, woran er sich erinnern konnte, war die Fahrt in der riesigen, schwarzen Limousine. Richtig, er war hungrig und verdammt müde gewesen. Trotzdem hatte er sich alle Mühe gegeben, um wach zu bleiben.
Allmählich war es dann Nacht geworden. Er hatte immer nur in das Licht der Scheinwerfer geblickt und manchmal auch zu diesem Mister Webster, der den Wagen ohne Pause durch die Dunkelheit gesteuert hatte.
„Tut mir leid“, hatte er zwischendurch einmal zu Tesu gesagt, „aber ich werde morgen in Chicago erwartet, wir müssen durchfahren.“
Seine Frau und Pennyfull schwiegen schon seit einer ganzen Weile und hatten sich schließlich im Fond des Wagens aufs Ohr gelegt. Mrs. Webster in der linken und Pennyfull in der rechten Ecke.
Und irgendwann mußte dann auch Tesu eingeschlafen sein.
Aber wie war er hierher in dieses Zimmer gekommen?
Einmal hatte man ihn aufgeweckt, das kam ihm jetzt in die Erinnerung zurück. Wie durch Nebel hindurch sah er sich aus der schwarzen Limousine klettern, ein weißes Haus betreten und über eine Treppe steigen.
Tesu richtete sich auf.
Irgend jemand mußte ganz vorsichtig von außen an die Tür geklopft haben.
Der Junge griff blitzschnell nach seinem Tomahawk.
Jetzt klopfte es schon wieder.
Tesu sprang auf. Das Bett stand in einer Art Nische. Hinter der Eckwand dieser Nische ging Tesu in Deckung. Den Blick zur Tür gerichtet, den Tomahawk wurfbereit in der rechten Hand. So nebenbei bemerkte er dabei, daß er eine Hose und eine Jacke aus leichtem, dunkelblauem Stoff anhatte. Beides hatte er noch nie in seinem Leben gesehen.
Wieder dieses klopfende Geräusch, jetzt stärker als zuvor.
Jenny, die draußen stand, und die nun schon zum drittenmal vergeblich versucht hatte, sich bemerkbar zu machen, faßte sich endlich ein Herz. Sie drückte vorsichtig die Messingklinke herunter und trat ein.
Aber kaum hatte sie die Tür geöffnet und wollte gerade ganz unbefangen einen fröhlichen guten Morgen wünschen, da kam ein zischendes Geräusch auf sie zu.
Sssssssssss —
Das war der Tomahawk, der durch die Luft zischte. Er schlug genau neben Jennys linkem Ohr in die Türfüllung. Ein paar Splitter flogen ihr an der Nase vorbei. Sie stieß einen spitzen, kurzen Schrei aus, und dabei sprangen ihr beinahe die großen, weißen Augäpfel aus dem Gesicht.
Tesu war mit der Wirkung seines Wurfs zufrieden. Vorerst hatte er den Feind ja nur einschüchtern wollen. Und das schien ihm gelungen zu sein. Er ließ sich fallen und verschwand bis zum Kinn unter der Bettdecke.
Jenny brauchte gute zehn Sekunden, bis sie sich erholt hatte. Schließlich machte sie wortlos die Tür hinter sich zu. Sie klemmte jetzt ein wenig, aber sie ließ sich schließen.
Jenny ging wie eine Traumwandlerin zu dem breiten Clubsessel, ließ sich in sein Polster fallen und pumpte nach Luft.
„Du sein wirklich eine große Krieger“, stöhnte sie nach einer Weile. Denn trotz allem dachte sie noch an das, was Mister Webster ihr eingebleut hatte. Sie stand jetzt sogar wieder auf, trat neben Tesu ans Bett und kreuzte die
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