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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Kliemann auf der Titelseite der Bad Rittershuder Nachrichten . „Wir putzen sie vom Platz“, stand in großen Buchstaben daneben.
    „Hab’ ich nie gesagt“, meinte der Trainer des Bad Rittershuder FC, als er die Zeitung in der Box seiner Tankstelle in die Hand nahm. „Aber immerhin könnte ich es gesagt haben.“
    Zur selben Zeit kam die Direktion im Kurhaus auf die Idee, daß man im Olympiastadion ja bei dieser Gelegenheit für das hiesige Thermalbad Reklame machen könnte. Wenn man sich mit Einfällen beeilte, war es noch nicht zu spät.
    Der erste Bürgermeister, der beim FC Bad Rittershude Ehrenvorsitzender war, obgleich er vom Fußball keine blasse Ahnung hatte, ließ bei der Bundesbahn einen weiteren Sonderzug bestellen. Die Nachfrage nach Reisemöglichkeiten in die bayerische Hauptstadt entwickelte sich allmählich zu einer Lawine.
    „Und bitte noch zwei weitere Omnibusse“, flötete mittlerweile die Sekretärin auf dem Verkehrsamt in ihr Telefon. „Abfahrbereit Sonntag früh sechs Uhr.“
    In Bad Rittershude bereitete sich eine Völkerwanderung vor.

Pennyfull sitzt im Kleiderschrank

    Mister Webster hatte mit seiner Prophezeiung für die nächsten zwei Wochen nicht übertrieben.
    Das zeigte sich schon in den ersten drei Tagen.
    In der weißen Villa mit ihrem schönen Garten, dem Springbrunnen und dem kleinen Fischteich ging es zu wie in einem Warenhaus beim Sommerschlußverkauf.
    Große Lastwagen und kräftige Männer in blauen Overalls holten die wichtigsten Möbelstücke ab, auf die Mister Webster auch in seinem neuen Amtssitz nicht verzichten wollte. Sie sollten zusammen mit der schwarzen Limousine per Schiff nach Europa transportiert werden.
    Handwerker montierten das amtliche Messingschild an der Einfahrt ab, und ein halbes Dutzend Angestellte des Innenministeriums tat sehr geheimnisvoll, sortierte die Akten in Mister Websters großer Bibliothek und schleppte sie in die Autos. Zwischendurch rauchten sie eine Zigarette nach der anderen und vernichteten ganze Batterien von Coca-Cola-Flaschen, weil es doch immer noch so verflixt heiß war.
    Mister Webster selbst jettete jetzt schon zum zweitenmal nach Washington und New York, telefonierte, wenn er zurückkam mit Gott und der Welt, bekam mittlere Gebirge von Briefen und Telegrammen, die er dann gleich wieder beantworten mußte.
    Seine Frau hatte sich zuerst einmal zusammen mit Tesu von Pennyfull zu Marshall Field u. Co in die State Street kutschieren lassen. Dort katapultierte ein Fahrstuhl die beiden zum Stockwerk für Herrenausstattung.
    Mrs. Webster ließ den Geschäftsführer kommen.
    „Sic sollen diesen jungen Mann vollständig neu einkleiden, und zwar gleich ein paarmal. Von der Unterhose bis zum Wintermantel. Auch wenn mein Mann der Meinung ist, Berlin wäre, was die Temperaturen betrifft, mit Sibirien nicht vergleichbar.“
    „Chicagos größtes Warenhaus steht Ihnen ganz zur Verfügung“, dienerte der herbeigeeilte Herr und spielte dabei mit einer dünnen, goldenen Uhrkette, die er gut sichtbar quer über der Weste trug. Er lächelte andauernd, was seinen blendend weißen Zähnen zuliebe stattzufinden schien. Selbstverständlich hatte er die Frau des hohen Regierungsbeamten sofort erkannt. Oft genug sah man ja die Fotos der Websters anläßlich irgendwelcher Empfänge in den Zeitungen.
    Der Geschäftsführer schnippte mit Daumen und Zeigefinger.
    Anschließend wurde Tesu gleichzeitig von mehreren Damen und Herren eingekreist. Sie stellten fest, welche Kragenweite er hatte, wie lang seine Beine und wie groß seine Füße waren. Natürlich wollten sie auch seine Brustweite wissen und die Maße seiner Arme. Das eine Mal ausgestreckt und dann wieder abgewinkelt.
    Inzwischen wurden Hemden, Hosen, Jacketts, Unterwäsche und Socken in allen nur denkbaren Farben herbeigeschleppt. Einiges paßte schon bei der ersten Probe, anderes mußte geändert oder überhaupt ganz neu angefertigt werden.
    „Wir werden den jungen Herrn dann leider noch zwei- oder dreimal benötigen“, meinte der Geschäftsführer.
    Mrs. Webster ließ sich Stoffe zeigen, fragte den eleganten Herrn mit der Goldkette über der Weste nach seiner Meinung, entschied sich schließlich aber dann doch mehr oder weniger nach ihrem eigenen Geschmack.
    Tesu wurde immer wieder hinter den Vorhang einer
    Umkleidekabine gebeten, in der ihm alle Wände sein Spiegelbild zeigten.
    „Entschuldigen Sie“, bemerkte zwischendurch der ewig lächelnde Geschäftsführer. „Irgend etwas mit dem

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