Der Sohn des Haeuptlings
machen ist gut“, knurrte Tesu. „Und was haben Sie in der Hand?“
„Äh — äh — nichts!“ stotterte Pennyfull von neuem und hielt weiter seine linke Hand hinter dem Rücken versteckt.
„Zeigen Sie mir, was Sie da in der Hand haben“, mahnte Tesu und drehte seinen Tomahawk jetzt so, daß seine blitzende Schneide genau auf Pennyfulls Kopf zeigte.
„Also schön“, stöhnte der Butler in dem dunklen Anzug und holte seine linke Hand hinter dem Rücken hervor. Sie umklammerte Tesus Totem, das buntbestickte Lederband mit den weißen Perlen hing wie eine Schleife in der Luft.
„Es sieht jetzt vielleicht so aus, als hätte ich stehlen wollen“, druckste Pennyfull herum. „Aber ich schwöre, daß es wahr ist — ich wollte hier wirklich nur Ordnung machen — und — und daß ich das verdammte Ding gerade jetzt — also gerade jetzt, wo Sie kommen, in der Hand habe — das — das ist wirklich nur ein ganz blöder Zufall.“
„Seit wann machen Sie Ordnung in meinem Gepäck?“ fragte Tesu, ohne sich zu bewegen und ohne Pennyfull aus den Augen zu lassen. „Ich habe das Totem nur abgelegt, weil es bei den Anproben gestört hat, und ich habe es ganz sorgfältig und ganz unten in der größeren Reisetasche versteckt.“ Er blickte Pennyfull jetzt fast freundlich an. „Bei uns werden Männer, die gestohlen haben, dreimal durch ein Feuer gejagt. Was macht man hier mit solchen Männern?“
„Ich — ich habe doch gar nicht gestohlen“, versicherte der Butler mit weinerlicher Stimme.
„Du jammerst wie ein feiges Weib“, stellte Tesu angewidert fest und fragte dann wieder: „Was man in diesem Land mit Dieben macht, will ich wissen.“
„Man — man muß zuerst nachweisen, ob die betreffende Person auch tatsächlich gestohlen hat — dann kann man sie anklagen, sie kommt vor ein Gericht und wird bestraft.“
„Das bedeutet also“, überlegte Tesu, „wenn ich dich laufenlasse, kannst du hinterher einfach das Blaue vom Himmel herunterlügen, so wie du es jetzt schon getan hast.“
„Ich verstehe Sie nicht, Mister Tesu —“
„Du wirst mich sehr schnell verstehen“, erwiderte der Sohn des Häuptlings. „Ich werde nämlich nachweisen, daß du tatsächlich gestohlen hast. Und das ist gar nicht so schwer. Los, da hinüber! Mach den Kleiderschrank auf!“
Pennyfull blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Der Junge blieb mit seinem gezückten Tomahawk immer zwei Schritte hinter ihm.
„Da hinein“, kommandierte Tesu unerbittlich weiter.
Pennyfull kletterte folgsam in den geöffneten Kleiderschrank. „Mein Gott, was soll denn das?“ fragte er verzagt.
Tesu schloß nun blitzschnell die Tür, bevor Pennyfull etwas dagegen unternehmen konnte. Dann drehte er zweimal den Schlüssel im Schloß herum. Pennyfull war also zusammen mit dem gestohlenen Totem wie in eine Gefängniszelle eingesperrt.
Tesu dachte nach.
Wenn er jetzt aus dem Zimmer ging, würde der Kerl bestimmt ausbrechen. Der Schrank war leicht zu öffnen, und die Zimmertür hatte leider überhaupt keinen Schlüssel. Zudem wäre schließlich noch die Flucht aus dem Fenster möglich gewesen. Vor allem, da ja offensichtlich kein Mensch in der Villa oder im Garten war.
„Ich kann nur warten“, überlegte Tesu. „Irgendwann wird ja jemand nach Hause kommen und mich vielleicht vermissen.“
Da stand dieser herrliche, schwere Clubsessel am Fenster.
Tesu schob das Monstrum mit der Lehne gegen die Tür des Kleiderschranks. Dann holte er sich sein Buch Englisch-Deutsch und ließ sich gemütlich ins Polster fallen.
Hinter ihm und der Lehne seines Sessels rumorte es allerdings immer wieder einmal. Aber Tesu ließ sich dadurch weiter nicht stören. Er blätterte in seinem Buch bis Seite 43. Da hatte Herr Langhans gestern im Grant Park nach der letzten Stunde ein Eselsohr eingeknickt.
Inzwischen wurde es dunkler und dunkler.
Tesu mußte schon das Licht anknipsen.
Endlich waren von draußen Schritte zu hören. Kurz darauf kam Jenny ins Zimmer.
„Aber Mister Tesu“, keuchte sie und rief dann hinter sich: „Da ist er, in seinem Zimmer!“
Gleich darauf tauchte Mister Webster im Türrahmen auf. Er hatte Tesus Schuhe in der Hand.
„Ich komme aus New York zurück, frage nach dir, und kein Mensch hat eine Ahnung, wo du steckst“, bemerkte Mister Webster vorwurfsvoll. „Ich habe sofort mit meiner Frau telefoniert, die noch bei ihrem Frisör saß, und habe ihr die größten Vorwürfe gemacht, weil sie dich allein in der Stadt gelassen
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