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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Spieler ein wenig ratlos vor dem Strafraum ihres Gegners herum.
    Mit einem Elfmeter gegen die großen Bayern und gegen ihren Schlußmann, den Torwart in der Nationalmannschaft, Europa- und Weltmeister, damit hatten sie nicht im Traum gerechnet.
    Der Schiedsrichter mit seiner schwarzseidenen Hose wurde schon ungeduldig: „Bitte entscheiden Sie sich, meine Herren.“
    „Karli soll schießen“, rief Trainer Kliemann durch die Hände. Er war von seiner Bank zum Spielfeldrand gelaufen.
    Tatsächlich hatte sich der Blondschopf vom Bad Rittershuder Finanzamt inzwischen erholt.
    „Sollte es wirklich eine Überraschung geben?“ fragte inzwischen der Rundfunksprecher in sein Mikrophon und berichtete weiter: „Es hat den Anschein, als würde der gefoulte Spieler von seinem Trainer für seinen Alleingang an der gegnerischen Verteidigung vorbei mit der Ausführung des Elfmeters belohnt. Jawohl, meine Damen und Herren, so ist es auch. Die beiden Mannschaften treten zurück und der junge Bad Rittershuder Spieler legt sich den Ball zurecht.“ Der Reporter vom Rundfunk beugte sich in seiner verglasten Kabine bis dicht an die große Scheibe, um besser sehen zu können, und sprach pausenlos weiter: „Was mag in diesem Augenblick im Kopf des Elfmeterschützen vorgehen? Ein Tor gegen die Bayern im Olympiastadion würde ihm bestimmt Ruhm in seiner Heimatstadt einbringen. Vielleicht die Ehrenbürgerschaft, ganz bestimmt aber Freibier für ein Jahr in allen Gastwirtschaften, und jedenfalls würde er sich im Rathaus in das Goldene Buch eintragen dürfen —“
    Von den Rängen der Westtribünen gellten jetzt laute Sprechchöre herüber. Sie wurden an einer Stelle von Zigarrenhändler Bemmelmann und an anderer Stelle von dem Frisörlehrling Fritz Treutlein dirigiert. „Bad Rittershude rückt euch auf die Bude!“ dröhnte es durch das Stadion. Und gleich darauf: „Zwerge versetzen Berge!“ Man machte sich die Sache leicht und brüllte nur einfach immer wieder die Sprüche, die auf den hochgehaltenen Transparenten zu lesen waren.
    „Karli“, schrie der kleine Kubatz noch, als es bereits wieder still geworden war und der junge Spieler mit dem Blondschopf zuerst vor sich auf den Boden blickte, um sich die richtige Ecke auszusuchen, und schließlich zum Ball.
    Jetzt richtete er sich auf und lief an.
    Knapp zwei Sekunden später hallte ein einziger langer Aufschrei durch das Stadion.
    „Die Sensation lag in der Luft, und ich habe den Atem angehalten“, rief der Rundfunksprecher aufgeregt in sein Mikrophon. „Aber es sollte nicht sein.“ Er holte tief Luft, sprach aber dabei trotzdem weiter: „Das Leder ging haarscharf am linken Pfosten vorbei. Die Belastung durch den Traum von der Unsterblichkeit in Bad Rittershude, das war wohl doch zuviel für den unerfahrenen Amateur, der im entscheidenden Augenblick seine Nerven verloren hat. Kein Wunder, wenn man bedenkt, daß diese Mannschaft ja nur Gegner und Plätze aus der zweiten und dritten Liga kennt, heute aber zum ersten Mal in den riesigen Dimensionen des olympischen Stadions gegen einen unserer führenden Vereine angetreten ist —“
    Nach diesem ersten Schreckschuß zeigten die Bayern dann tatsächlich, daß sie eben doch um Klassen besser waren als die blau-gelbe Elf aus der Provinz.
    Vier Minuten dauerte es nur, bis ihr bulliger Libero mit einem Gewaltschuß aus fünfundzwanzig Metern zum ersten Tor zwischen die Latten knallte. Eine Viertelstunde später stand es bereits 3:0, und kurz vor der Halbzeit flankte der Münchner Linksaußen von der Außenlinie direkt zu einem Stürmer, der nimmt den Ball im Sprung und schmettert ihn mit dem Kopf unhaltbar in die linke obere Ecke.
    „Hut ab!“ rief Frau Erika Bandel, und es muß zur Ehre der Bad Rittershuder Schlachtenbummler gesagt sein, daß sie nach dieser artistischen Einlage auch für den Gegner applaudierten.
    Bisher hatten sie ziemlich stumm und bedrückt auf ihren Bänken gesessen, als ihre Mannschaft ein Tor nach dem anderen kassieren mußte. Zwischendurch hatten sie allerdings immer wieder ihre Spieler mit Trompeten, Gebimmel und Schreien angefeuert.
    „Nur jetzt nicht die Köpfe hängen lassen, Männer“, predigte Trainer Kliemann während der Pause in den Kabinen. „Wenn wir untergehen, dann mit fliegenden Fahnen —“
    Und so kam es dann auch.
    Die Bad Rittershuder Elf trabte mit ernsten und entschlossenen Gesichtern ins Stadion zurück. Gleich nach dem Anpfiff griffen sie an und waren wie ausgewechselt.
    „Ja,

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