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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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meisten wohl schon zum Urlaub auf Gran Canaria oder gar mit Pauschalreisen in Kenia gewesen. Die bayerische Hauptstadt dagegen besuchten sie zum ersten Mal. Sie lag ja auch viel zu nah vor der eigenen Haustür.
    Endlich war es dann soweit.
    Zuerst konnte man auf der Fahrt zum Oberwiesenfeld den Olympiaturm mit dem drehbaren Aussichtsrestaurant sehen und dann das riesige Zeltdach aus Drahtseilen und mit seiner Abdeckung aus Plexiglas.
    Trainer Kliemann hatte sich mit seiner Mannschaft längst in den geradezu feudalen Umkleideräumen breitgemacht, als die ersten Besucher aus Bad Rittershude durch die breiten Tore ins Stadion spazierten.
    „Das ist ja alles so piekfein wie in einem Fünfsterne-Hotel“, hatte der Linksaußen Erich Pieper von der städtischen Straßenbahn gestaunt. „Ruhebetten, Sauna, Massagebänke, Schwimmbecken. Nicht zu fassen!“
    „Wenn ich da an unsre mickrige Dusche denke, vor der wir zu Hause nach jedem Spiel Schlange stehen“, unterbrach ihn der Blondschopf Karli, der beim Finanzamt sein drittes Lehrjahr machte. „Profi müßte man sein
    Aber als sich dann die erste Verwunderung gelegt hatte, breitete sich allmählich Lampenfieber aus, wie unter Schauspielern vor einer wichtigen Theaterpremiere.
    Die Spieler schnürten sich schon zum zweiten oder dritten Mal die Stiefel, kontrollierten ihre Stollen, saßen auf ihren Bänken herum und standen plötzlich völlig grundlos wieder auf.
    „Laßt euch durch das idiotische Warten nicht nervös machen, Männer“, mahnte Herr Kliemann. „Und nachher wird ohne jeden Respekt aufgespielt. Wenn die auch ein paar Nationalspieler und sogar Weltmeister dabei haben, Schneebälle können die Bayern auch nicht braten.“ Er lachte übertrieben laut in der Hoffnung, daß er seine Zöglinge anstecken würde. Aber eigentlich grinste nur der italienische Kellner aus Rinaldos Eisdiele. „Wie dem auch sei“, fuhr der Trainer daraufhin fort. „Auf keinen Fall verlieren wir zweistellig, und ein Ehrentor ist das wenigste, was Bad Rittershude von euch erwartet.“
    „Daß wir vielleicht gewinnen“, meinte der große von den zwei Langhammer-Brüdern, „also daran glauben Sie überhaupt nicht mehr?“
    „Himmeldonnerwetter, wer sagt denn das“, polterte der Tankstellenbesitzer los. „Der Ball ist rund, und grade im Pokal hat es schon die unverschämtesten Wunder gegeben.“
    In dem Omnibus, der sie von Bad Rittershude hierher gebracht hatte, kramte die Jugendmannschaft inzwischen ihre Trainingsanzüge aus dem Reisegepäck und zog sich um.
    „Junge, Junge“, stöhnte Emil Langhans, als er seine Blue jeans über einen Sitz warf, und holte tief Luft.
    Auch hier war die Luft elektrisiert.
    „Wo bloß Pohmann bleibt?“ fragte Ulli Buchholz eine Minute später. Er schlüpfte bereits in die blaue Jacke mit dem Vereinswappen auf der linken Brustseite.
    „Da ist er schon“, rief der Bademeister, der im selben Augenblick die Tür aufgemacht hatte. „Wenn ihr fertig seid, können wir los. Eure Plätze hab’ ich mir schon zeigen lassen.“
    „In Bad Rittershude soll es Kröten regnen“, sagte Karlchen Kubatz in die Stille. „Mein Vater hat noch vor einer halben Stunde mit seiner Redaktion telefoniert.“
    „Sollte mich gar nicht wundern“, meinte Herr Pohmann. Kurz darauf dirigierte er seine Knaben im Laufschritt über den Parkplatz zum Stadion. Die Jugendmannschaften der beiden Vereine waren als Balljungen am Spielfeldrand vorgesehen. Die Bayern auf der Westseite und ihre Gegner ihnen gegenüber.
    Um drei Uhr sollte das Spiel angepfiffen werden. Eine halbe Stunde vorher zeigte es sich schon, daß die achtzigtausend Plätze in der Hauptsache leer bleiben würden.
    Die Einwohner von Bad Rittershude waren in dem riesigen Stadion so ziemlich unter sich. Aber das tat ihrer Stimmung keinen Abbruch. Sie waren gekommen, um aus dem Höhepunkt ihrer Vereinsgeschichte in der Höhle des bayerischen Löwen so etwas wie ein Heimspiel zu machen. Sie rückten, um sich gegenseitig Mut zu machen, auf den Westtribünen so eng wie möglich zusammen und fingen damit an, ihre Fahnen und Fähnchen durch die Luft zu schwenken, als zuerst die drei Neutralen einliefen. Der Schiedsrichter war ein selbstbewußter Herr aus Hamburg und hatte sich ganz in schwarze Seide gekleidet.
    Gleich darauf trabten die Bayern auf den Rasen.
    Da holten die Bad Rittershuder Schlachtenbummler ihre bisher noch zusammengerollten Transparente hervor und breiteten sie aus. „Bad Rittershude rückt euch

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