Der Sohn des Haeuptlings
knappe Sekunde irgendwie schwerelos in der Bauchhöhle schwebte. Danach kam der unvermeidliche sanfte Stoß und das Poltern der Räder des Fahrgestells über die Piste. Zuletzt der Druck gegen den Haltegurt, als die Maschine abbremste und ausrollte.
Zwei Amerikaner erwarteten Mister Webster bereits an der Fluggastbrücke. Sie begrüßten ihn respektvoll und hatten für seine Frau einen in Cellophan verpackten Frühlingsstrauß mitgebracht.
Da die Zeit bis zum Anschlußflugzeug nur knapp war, schleusten sie ihren Gast und seine Begleitung in ziemlicher Eile an der deutschen Zollkontrolle vorbei. Die Beamten schienen Bescheid zu wissen, nickten höflich und verzichteten auf eine Paßkontrolle.
Schon zwanzig Minuten später rollte der PAN AM-Clipper 687 mit den Websters und Tesu zum Start.
Und schon eine gute Stunde später überflogen sie in einer großen und weiten Schleife Berlin.
Da die Maschine nicht ganz voll war und weil man die erste Reihe ohnehin für den wichtigen Gast aus Amerika reserviert hatte, blickte Tesu durch das Fenster auf der einen Seite und Mister Webster zusammen mit seiner Frau durch das Fenster gegenüber.
„Das ist also Berlin“, stellte der Amerikaner fest. „Eine ganze Menge Seen.“
„Und viel grüner Wald“, rief Mrs. Webster über den leeren Mittelgang hinüber.
„Das muß die Mauer sein“, bemerkte jetzt ihr Mann. „Man sieht ganz genau den Stacheldraht.“
„Aber die Häuser sind lange nicht so hoch wie in Chicago“, rief Tesu von seinem Fenster herüber.
Als der Clipper gelandet war und von der Piste über das Flugfeld rollte, machte sich in der Maschine Unruhe breit.
Die Stewardessen stellten sich auf die Zehenspitzen, um über die Passagiere hinwegblicken zu können, tuschelten miteinander und huschten ein wenig sinnlos und aufgeregt hin und her.
Dabei kam die übliche Durchsage über die Bordlautsprecher. Die PAN AM wäre glücklich, wenn den Passagieren der Flug gefallen hätte und würde hoffen, sie möglichst bald wieder einmal bei einem ihrer Flüge an Bord begrüßen zu dürfen.
„Noch ein Hinweis“, fuhr die Lautsprecherstimme fort. „Da wir einen Staatsgast an Bord haben und das Empfangszeremoniell für ihn auf dem freien Gelände stattfindet, rollt die Maschine nicht wie üblich zu der Fluggastbrücke. Wir müssen Sie also bitten, den Weg dorthin heute ausnahmsweise zu Fuß zurückzulegen.“
Die Fluggäste zeigten sich nicht besonders erfreut, und manche protestierten sogar mit irgendwelchen unfreundlichen Bemerkungen. Andere machten sich lustig.
Inzwischen war von draußen Musik zu hören.
Eine Blaskapelle spielte „Das ist die Berliner Luft“.
„Nanu“, flüsterte Mister Webster. „Das ist aber doch wohl etwas übertrieben.“
„Ehre, wem Ehre gebührt“, flachste seine Frau. „Ob ich mir noch schnell die Nase pudere und meine Lippen nachziehe? Bestimmt werden auch Fotografen da sein.“
„Laß den Unsinn“, knurrte Mister Webster, faßte aber seinerseits unwillkürlich an seine Krawatte.
„Aha, aber du ziehst deinen Schlips zurecht“, schmunzelte seine Frau.
„Los, bringen wir’s hinter uns“, erklärte Mister Webster. „Komm, mein Junge, blicken wir dem Feind offen ins Auge.“ Er legte Tesu seine linke Hand auf die Schulter, schob seine rechte unter den Arm seiner Frau und spazierte auf den vorderen Ausgang zu. Als die drei dann ins Freie traten und auf der obersten Stufe der Gangway stehenblieben, brauchte Mister Webster etwa eine halbe Sekunde, bis er die Situation begriffen hatte. Dann lachte er schallend los.
Die angetretene Musikkapelle zeigte ihm nämlich den Rücken, weil sie sich am hinteren Ausgang des Flugzeuges postiert hatte.
Und dort betrat gerade eine Gruppe von Arabern mit Burnussen aus weißer und himmelblauer Seide den roten Teppich, den man für sie bis an die Maschine gerollt hatte. Herren in dunklen Anzügen gingen auf sie zu, und ein halbes Dutzend Mercedes-Limousinen wartete nebeneinander im Hintergrund.
Die Musikkapelle versuchte jetzt irgendeine orientalische Melodie zu spielen. Es gelang nur einigermaßen.
Mister Webster stand immer noch ganz oben auf der Plattform der Gangway und hatte Lachtränen in den Augen, die er sich jetzt mit einem Taschentuch abtupfte.
Auch seine Frau hatte ein vergnügtes Glucksen nicht zurückhalten können. Nur Tesu wußte nicht recht, was für eine Miene er zeigen sollte. Also blickte er einfach ernst und undurchsichtig.
„Ich erklär’ es dir später“,
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