Der Sohn des Haeuptlings
hatten Platz genommen, und Frau Bollmann verschwand gerade wieder, nachdem sie sämtliche Teetassen gefüllt hatte.
„Sie haben auf dem Flugplatz, bevor ich in den Wagen gestiegen bin, eine Bemerkung gemacht, Colonel Harrison“, meinte Mister Webster, „die ich nicht ganz verstanden habe.“
„Das war auch ein wenig die Absicht, Sir“, gab der schlanke Offizier zu, der sich als Adjutant des Stadtkommandanten vorgestellt hatte. „Sie hätten sonst vielleicht auf dem Absatz kehrtgemacht und wären sofort wieder in die Staaten zurückgeflogen.“
„Sie haben eine Bombe in der Hosentasche, Harrison?“ fragte Mister Webster, hellhörig geworden. „Bitte keine Rücksicht, lassen Sie das Ding explodieren.“
„Wie Sie wollen, Sir, und ich fasse mich kurz“, entgegnete der Offizier in dem ledernen Clubsessel. „Die Verhandlungen mit der Alliierten Kontrollkommission sind verschoben. Ihr französischer Kollege hat wegen einer schweren Grippe kurzfristig abgesagt. Die Russen konnten ihren Delegationschef noch vor seiner Abreise stoppen, und er ist vorerst in Moskau geblieben. Als wir zum selben Zeitpunkt Washington informiert haben, saßen Sie leider schon im Flugzeug.“
„Weil diese Halunken von unserem Auswärtigen Amt hinter mir her waren wie der Teufel hinter der armen Seele“, polterte Mister Webster los. „Heute war ihnen noch zu spät, gestern sollte ich schon geflogen sein.“
Er paffte ziemlich wütend ein paar Rauchwolken hintereinander ins Zimmer.
„Das ist ja eine schöne Bescherung“, stellte er fest, nachdem er sich wieder ein wenig beruhigt hatte. „Da könnte ich ja noch in aller Ruhe auf dem Michigansee herumgondeln oder Golf spielen.“
„Ja, das könnten Sie allerdings, Sir“, sagte der Colonel namens Harrison und blickte vor sich auf die spiegelblanke Fläche des kleinen Rauchtisches.
„Und wann sollen die Verhandlungen jetzt stattfinden?“
„Das kommt auf die Grippe Ihres französischen Kollegen an, Sir.“
„Könnte es sich dabei auch um einen politischen Schnupfen handeln?“ fragte Mister Webster. „Frankreich wählt nach Ostern, und vielleicht wollte man sich vorher nicht festlegen.“
„Jedenfalls ist die Krankheit gut ausgewählt“, schmunzelte Colonel Harrison. „Mit einem gebrochenen Bein zum Beispiel wäre man durchaus verhandlungsfähig, und Blinddarm oder Nierensteine sind einem gewissen zeitlichen Heilungsprozeß unterworfen. Eine Grippe kann sich über Nacht bessern oder wunschgemäß über Tage und sogar Wochen hin verschlechtern.“
„Schöne Aussichten“, bemerkte Mister Webster. „Da wird mir kaum etwas anderes übrigbleiben, als vorerst in Berlin Tourist zu spielen.“
Was dann schließlich so aussah, daß sich der Amerikaner am nächsten Tag mit dem Stadtkommandanten zu einer langen Besprechung mit anschließendem Mittagessen zusammensetzte.
Am Tag darauf lernte er die übrigen Mitglieder seiner Delegation für die bevorstehenden Verhandlungen kennen.
Und am dritten Tag wurden sämtliche bestehenden Verträge durchgeackert. Anschließend debattierte man über die neuen Entwürfe und wurde sich über die einzuschlagende Taktik einig.
Jetzt wäre Mister Webster eigentlich für die Verhandlungen topfit gewesen.
Aber leider ließ sein französischer Kollege aus Paris verlauten, daß sein Fieber in der vergangenen Nacht auf über vierzig Grad geklettert sei. Erst für die Woche nach Ostern hätten ihm die Ärzte eine Genesung in Aussicht gestellt.
Mister Webster knurrte: „Natürlich, dann sind ja die Wahlen vorbei.“ Anschließend schickte er ein katzenfreundliches Telegramm mit seiner herzlichen Anteilnahme an der Krankheit des Kollegen nach Paris.
„Jetzt haben wir also plötzlich eine Menge Zeit. Was fangen wir damit an?“ fragte Mister Webster seine Frau und den jungen Sohn des Apachenhäuptlings Kuguah, als sie später beim Frühstück auf der Terrasse saßen.
Die beiden hatten sich in den vergangenen Tagen immer wieder einmal in dem schwarzen Mercedes von dem jungen, kraushaarigen Butler zum Kurfürstendamm kutschieren lassen, zum Funkturm, zum Zoo oder auch zum Wannsee.
Im Gegensatz zu Mister Webster, der bisher nur in verschiedenen Büros herumgesessen war, kannten sie also bereits ein paar Ecken von Berlin.
„Das ist wie Schulferien, die gar nicht im Kalender stehen“, fuhr der Hausherr fort. „Über Ostern ist natürlich bis auf die Wache kein vernünftiger Mensch in der Kommandantur, und sogar die Putzfrauen fliegen
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