Der Sohn des Haeuptlings
konnte die beiden Männer für zwei Fische halten und erwarten, daß sie Luftblasen aufsteigen ließen.
Als Frau Bandel aus der Haselnußstraße zurückkam, war sie etwas außer Atem und erzählte zuerst von einem neuen Polizisten, der am Eingang des Hauses gestanden sei.
„Er hat mich partout nicht reinlassen wollen“, meinte sie, „bis dann Ihr netter Assistent dazugekommen ist.“ Sie holte inzwischen ein Foto von Professor Keller aus ihrer Handtasche und legte es vor die Herren auf die Marmorplatte des kleinen runden Tisches. „Das ist das einzige Bild, das überhaupt in Frage kommt. Es ist immer in den Programmen abgedruckt, wenn er als Zahlengenie Professor Olgo aufgetreten ist. Auf den übrigen Fotos ist er gar nicht mehr zu erkennen, so alt sind sie.“ Sie zog ihren Mantel aus. „Jetzt soll also doch die Fahndung losgehen?“
„Fahndung, Vermißtenanzeige und Veröffentlichung in der Presse“, erwiderte Kriminalkommissar Roland. „Was anderes bleibt uns jetzt gar nicht mehr übrig. Und vielleicht bringt uns das endlich weiter.“
„Ja, irgend etwas muß jetzt passieren“, rief Frau Bändel, die inzwischen wieder im Nebenraum verschwunden war, um ihren Mantel gegen eine weiße Schürze zu wechseln. „Übrigens kleben sie in der Stadt gerade die Plakate von den Osterfestspielen an die Wände. Ehrlich gesagt, sie sind ziemlich kitschig.“
Diese Plakate zeigten Winnetou und Old Shatterhand auf dem Gipfel eines Felsens, die Hände zum Schwur erhoben. „Die Rache der Apachen“, stand als Haupttitel quer über der farbenfrohen Ankündigung. Und in kleinerer Schrift war darunter zu lesen: „Bearbeitung und Regie des Indianerdramas von Intendant Dir. Friedebold.“
Die Statisten, die sich für dieses sicherlich bewegende Schauspiel inzwischen schon häufig als Rothäute auf den Kriegspfad gewagt und dafür ihre Probengelder kassiert hatten, saßen in diesem Augenblick friedlich und ohne braune Schminke in den Bänken ihrer Klassenzimmer. Einerseits in der Maximilianstraße und andererseits im Prinz-Ludwig-Gymnasium.
Das heißt, ganz so friedlich war die Stimmung nicht überall. Jedenfalls nicht bei der 8 B in der Ahornstraße.
Studienrat Dr. Purzer allerdings konnte sich nicht beklagen. Er hatte seine Schüler wieder einmal mit einer Klassenarbeit eingedeckt, lehnte in seinem Stuhl auf dem Podium wie in einem tiefen Polstersessel, und es fehlte nur noch, daß er seine Füße auf das Katheder gelegt hätte. Er las scheinbar vollkommen abwesend den Sportteil der Bad Rittershuder Nachrichten, und die Sonne spiegelte sich in seinen Brillengläsern.
Das war allerdings nicht besonders günstig, weil man dadurch nicht genau feststellen konnte, ob sich die Augen von Dr. Purzer tatsächlich nur mit der Zeitung beschäftigten.
Daß dies zumindest nicht ausschließlich der Fall war, zeigte sich schon ein paar Minuten später. Vom Rathaus herüber schlug es gerade elf Uhr.
„Der Knabe Kubatz scheint Probleme zu haben?“ fragte der Studienrat in die Stille des Klassenzimmers und blätterte dabei so konzentriert in seiner Zeitung, als suche er auf der nächsten Seite die Fortsetzung eines Artikels, dessen ersten Teil er gerade gelesen hatte.
„Ich denke nach“, antwortete Karlchen mit dem Bürstenhaarschnitt. Er hatte das Ende seines Füllfederhalters so ein wenig zwischen den Zähnen und starrte zum offenen Fenster hinaus.
„Ich darf wohl annehmen, daß deine Gedanken um das Thema unserer Klassenarbeit kreisen?“
„Leider nicht“, gab Karlchen Kubatz zu, ohne seinen Blick zu verändern.
„Das ist aber in höchstem Maße unklug“, meinte der Studienrat. „Ich meine, im Hinblick darauf, daß deinem wissenschaftlichen Tatendrang zeitliche Grenzen gesetzt sind. In einer guten halben Stunde mußt du dein Heft zuklappen, dann wird eingesammelt.“
„Es gibt manchmal Gedanken, die über den Augenblick hinausgehen“, meinte Karlchen, ein wenig in den Wolken. „Da ist es dann völlig schnuppe, was im nächsten oder übernächsten Augenblick passiert.“
Die Klasse horchte auf.
„Sieh mal an“, meinte Dr. Purzer verwundert und schmunzelte. „Es hat mich schon immer mit Erstaunen und Freude erfüllt, wenn ein Wesen, das man schlechthin als Schüler bezeichnet, auch nur den Versuch zu eigener Kopfarbeit vermuten läßt.“ Er legte jetzt seine Zeitung vor sich auf das Katheder. „Kannst du dir deshalb auch nur im geringsten vorstellen, wie betroffen du mich gerade gemacht hast?“
„Weil
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