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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Murdo zumindest nie. Seine eigenen Gefühle behielt er ebenfalls für sich; er verbarg die Sehnsucht tief in seinem Inneren und schützte sie wie ein kostbares Juwel, damit sie ihm niemand stehlen konnte. Seine Arbeit verrichtete er wie jemand, der unter einer Krankheit litt, die sowohl Schmerzen als auch Verzückung verursachte; denn er ertrug die Qualen leichten Herzens, so süß war sein Leiden.
    Tag für Tag segelten sie weiter nach Süden, immer weiter weg von den Murdo vertrauten Gestaden, und mit jedem Tag erschien ihm der Ort wirklicher, den Emlyn in seinen Liedern beschrieb, bis er schließlich zu so etwas wie einer zweiten Heimat wurde. Egal ob bei Tag oder bei Nacht, Murdo blickte hinaus auf das unendliche Meer und träumte von jenem magischen Ort, dem Reich der Sommersterne, von dem der rundgesichtige Mönch sang. Mehr und mehr hatte Murdo das Gefühl, dorthin zu gehören.
    Eines Nachts erklärte Emlyn, daß er heute nicht bei Stimme sei, woraufhin die Nordmänner lautstark protestierten: »Singen! Singen! Wir wollen Die Schlacht der Bäume hören.«
    »Ah, das ist wirklich eine schöne Geschichte - eine sehr schöne sogar. Vielleicht werde ich sie morgen für euch singen«, erwiderte Emlyn und sagte, er müsse sich ausruhen, bevor er sich einer solch tiefsinnigen Geschichte widmen könne.
    Damit gaben sich die Seemänner zufrieden und wandten sich wieder ihrem Bier zu, während Murdo neben Emlyn kroch, der an der Reling saß und nach Westen starrte, wo die letzten violetten Sonnenstrahlen im Zwielicht verschwanden. Murdo machte es sich neben dem Mönch bequem, sagte aber nichts. Nach einer Weile seufzte Emlyn.
    »Ist das das hiraeth?« fragte Murdo. »Das Heimweh?«
    »Das weißt du doch«, antwortete der Mönch. »Und diesmal hat es mir das Herz gebrochen.«
    Murdo nickte mitfühlend. Inzwischen empfand er etwas Ähnliches. Schweigend saßen sie beieinander, lauschten dem sanften Rauschen der Wellen und blickten in die immer dunkler werdende Nacht hinaus. Nach einer Weile fragte Murdo: »Das wahre Licht - was ist das?«
    Der Mönch drehte sich zu Murdo um. »Wo hast du davon gehört?«
    »Du hast mir davon erzählt«, antwortete Murdo. »Du hast gesagt, ihr wärt die Hüter des wahren Lichts.«
    »Sanctus Clarus - das Heilige Licht«, korrigierte ihn der Mönch. »Wir sind die Hüter des Heiligen Lichts, die Wächter des Wahren Weges.«
    »Ja, genau das war's«, bestätigte Murdo. »Aber was bedeutet das?«
    »Ah, nun«, antwortete Emlyn. »Das ist nichts, was wir jedem erzählen.« Er hielt kurz inne, und Murdo fürchtete bereits, er würde schweigen, doch dann fügte der Mönch hinzu: »Allerdings sehe ich keinen Grund, warum es uns schaden sollte, wenn du davon erfährst.« Er lehnte sich zurück und faltete die Hände vor dem Bierbauch. »Ich weiß nur nicht so recht, wo ich beginnen soll.«
    Er dachte einen Augenblick lang nach, dann sagte er: »Lange bevor der heilige Padraic seine Hütte inmitten der wilden Stämme Eires errichtete, bevor der selige Colm Cille den Felsen von Hy für seine Abtei auswählte, hat die weise Bruderschaft von Britannien und Gallien das Heilige Licht bewahrt: die heiligen Lehren unseres Herrn Jesus Christus. Diese Lehren wurden von den Aposteln selbst bewahrt und über Generationen hinweg von einem prie-sterlichen Gläubigen an den nächsten weitergereicht.«
    »Meinst du die Lehren der Kirche?« fragte Murdo enttäuscht. Er hatte auf eine bessere, eine erfreulichere Erklärung gehofft als diese.
    »Nein«, antwortete Emlyn. »Zumindest nicht, was man in diesen dunklen Zeiten als solche bezeichnet.«
    »Was dann.?«
    »Hör mir einfach zu, Junge. Hör zu, und lerne.«
    Der Mönch atmete tief durch und fahr fort: »Padraic war nicht der erste, der den Wahren Weg erkannt hat, nein, und er war auch nicht der letzte - bei weitem nicht. Aber er war ein unermüdlicher Diener des Heiligen Lichts, und er.«
    »Sind der Wahre Weg und das Heilige Licht dasselbe?« unterbrach ihn Murdo.
    »Nein, das Heilige Licht ist das Wissen - das Wissen, das aus der Lehre entspringt. Der Wahre Weg ist die Anwendung, verstehst du? Die tägliche Anwendung dieses Wissens. Der erste.«
    »Warum hast du gesagt, es sei ein Geheimnis?«
    »Was? Würdest du es bitte unterlassen, mich ständig zu unterbrechen« schnaufte Emlyn beleidigt. »Ich habe nicht gesagt, es sei ein Geheimnis. Ich habe gesagt, daß wir nicht häufig darüber sprechen - besonders nicht mit jenen, die nicht bereit sind, uns

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